Am Ende der Landesmitgliederversammlung blickte Martin Haase in einer kurzen Rede auf die Ereignisse der zwei Tage zurück. Hier die Textfassung zum Nachlesen:
Als vor mehr als einem Jahr Liquid Democracy in die Satzung des Landesverbandes aufgenommen wurde, las man auf Twitter, dass ein Hauch von Geschichte durch den Saal wehe. Inzwischen ist Liquid Feedback funktionierender Alltag bei den Berliner Piraten. So gelang es uns, auf der Landesmitgliederversammlung knapp 60 Anträge zu behandeln. Auch auf den Programmparteitagen im Herbst 2010 war der Geist der Piraten zu spüren, als es um ReSET und Queerpolitik ging, denn auch hier beschritten die Piraten neue Wege – nicht nur in der eigenen Partei, sondern auch im Vergleich zu den anderen.
Dagegen wirkte dieser Parteitag fast schon routiniert, manche mögen ihn bisweilen gar als langweilig empfunden haben. Aber auch gestern und heute wurden neue Wege beschritten. Als Beispiel erwähne ich hier den fahrscheinlosen ÖPNV, ein visionäres Konzept, das auch einen Vorschlag für die Finanzierung enthält. Wenn eines Tages die Fahrscheinautomaten abgebaut werden und „Fahrschein“ etwa so klingt wie heute „Bahnsteigkarte“, können wir uns voller Stolz an das Wahlprogramm 2010 erinnern, wo wir schon soweit vorausgedacht hatten.
Oder die Streichung des Wahlalters: hier war die Entscheidung knapp, aber auch auf diesem Feld ist zu erwarten, dass die Piraten ihrer Zeit voraus sind, denn die nächsten Wahlrechtsreformen werden auf jeden Fall eine Absenkung des Wahlalters enthalten; so wird unsere Vision allmählich Wirklichkeit werden, zunächst vielleicht nur zum Teil, aber dann können wir sagen, dass wir schon im Sommer 2011 weitergedacht haben.
Oder das suchtpolitische Wahlprogramm, das ähnlich wie unser Queerprogramm deutlich moderner ist, als die Vorschläge anderer Parteien, die überwiegend noch auf Prohibition setzen, also auf ein Konzept, das schon seit dem 19. Jahrhundert gescheitert ist.
Oder die Idee der flexiblen „fließenden“ Schullaufbahn, die der über vierzigjährigen Diskussion um das Schulsystem in Deutschland eine neue, visionäre, aber realisierbare Richtung gibt.
Helmut Schmidt hat einmal gesagt: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“ Das gilt zweifellos für SPD-Mitglieder. Ich sage: „Wer Visionen hat, soll in die Piratenpartei gehen und sie umsetzen!“
Martin Haase dankt den Organisatoren der Versammlung, allen Helfern, der Technik, der „Teufelsküche“, den Gastgebern, den Inhabern von Versammlungsämtern, den an- und abwesenden Wahlkämpfern und den Antragstellern – insbesondere Monika Belz für ihr Engagement.
Nun müssen wir nur noch die Wähler von unseren Visionen überzeugen und davon, dass mit uns diese Visionen Wirklichkeit werden können. Dazu haben wir in den nächsten Wochen Gelegenheit. Die meisten haben ja schon die Wahlplakate gesehen. An dieser Stelle vielen Dank an die Texter und Graphiker. Die Plakate sind richtige Hingucker und bringen unsere Botschaften auf den Punkt: Pavel Mayer wirbt in der Pose eines Gurus dafür, Religion zu privatisieren, Alexander Spies erklärt Mindestlohn zur Brückentechnologie zum Grundeinkommen und Christopher Lauer fragt sich mit eindrucksvoller Mine, warum er hier eigentlich hängt.
Jetzt also los in den Wahlkampf. Ich denke, mit diesem Programm und motivierten Piraten können wir nur erfolgreich sein:
Daher heißt es nicht nur „Klarmachen zum Ändern!“, denn dass wir was ändern wollen machen wir schon in unserem Programm klar, sondern mit Blick auf Abgeordnetenhaus und BVV:
„Klarmachen zum Entern!“
Tolle Beschreibung der Mitgiederversammlung – Danke
Wenn eines Tages die Fahrscheinautomaten abgebaut werden und „Fahrschein“ etwa so klingt wie heute „Bahnsteigkarte“, können wir uns voller Stolz an das Wahlprogramm 2010 erinnern, wo wir schon soweit vorausgedacht hatten.
Bevor man so was schreibt, sollte man ja etwas über die Geschichte wissen. Linke Bewegungen fordern seit Jahrzehnte Nulltarif im Bus und (Straßen-)Bahn. Ist also gar nicht „modern“ oder so.
Genau! Ich war nämlich durchaus informiert:: Der ÖPNV zum Nulltarif ist keine neue Idee, aber die Besonderheit ist das Finanzierungskonzept: Denn laut dem Beschluss wird der Nahverkehr tatsächlich durch diejenigen finanziert, die einen Nutzen von ihm haben, nämlich die Berliner und die Touristen, die Finanzierung erfolgt durch kommunale Abgaben. Die traditionellen Nulltarife haben in der Regel kein Finanzierungskonzept, sondern fordern einfach einen Nulltarif bzw. gehen von einer allgemeinen Steuerfinanzierung aus.