„Ich hoffe, dass niemand stirbt.“
Das sind die ersten Worte, die ich von der Organisatorin des Camps, der Frankfurterin Tina König (@TnaKng), vernehme. Wir essen eine Pizza gegenüber vom Kinski („OMG, ich esse gerade eine Pizza für 2,50!“) und reden über die Planung. Es ist Dienstag Abend.
Sie organisiere das Camp schon seit vier Jahren und immer habe es mehr oder weniger heftige Verletzungen gegeben, sagt sie.
Am darauffolgenden Montag, den 29. Juli, bin ich dann selbst zu Besuch auf dem Camp der Jungen Piraten am Tegeler See, um mir ein eigenes Bild zu machen.
Sie teilen sich den Zeltplatz am Saatwinkel mit den sozialistischen Falken, die gegenseitige Akzeptanz ist deutlich zu spüren.
Als ich gegen Mittag ankomme, läuft gerade ein Strickkurs von Laura Schmalenbach(@Ra9emuffin). Auch junge Männer sind am Stricken. Ich werde herzlich begrüßt und kurz in das heutige Programm eingeführt: Strickkurs, Mittag, Vortrag über die Frauenbewegung von Daniela Ehlers – (@Blumenkind_92), das Geländespiel „Capture The Flag“, Abendessen (Nudelauflauf von Claudia @larkinia) und zum Schluss die PowerPointKaraoke von Norbert Hense (@norberthense). Am selben Tag findet jedoch noch eine Spontandemonstration gegen Abschiebung am Flughafen Tegel statt, weswegen das Programm teilweise außer Kraft gesetzt wird, um für die Rechte von Asylbewerben einzutreten. Die JuPis haben sich dabei mit einigen Berliner Piraten zusammengetan.
In der Raucherpause wird mir sogleich aufgeregt vom Freitag berichtet. An diesem Tag wollte RTL unangemeldet die JuPis beim Frühsport filmen. Die erste stellvertretende Vorsitzende, Claudia Jonda (die für ihren Nudelauflauf geflauscht wird), verweigert dem Sender dies aus gutem Grund: Es sind etliche Minderjährige auf dem Camp und da es keine verbindliche Anmeldung vorab gab, gibt es bis dato keine Zustimmung der Eltern. Nach einer zähen Diskussion („Wir kommen doch nicht extra aus Köln, ohne dass es eine Absprache gegeben hat!“) sei RTL ohne Aufnahme wieder abgehauen.
Das JuPi Camp umfasst in diesem Jahr 40 Teilnehmer, davon ungefähr ein Viertel Frauen. Der jüngste Teilnehmer ist 14 Jahre, der älteste 27 Jahre alt.
Mit drei Franzosen und drei Weißrussen ist das Camp international ausgerichtet, weswegen die Vorträge entweder gleich auf Englisch gehalten (wie zum Beispiel der von Anke Domscheit-Berg (@anked) zu Open Government am Freitag) oder simultan von Camp-Teilnehmern übersetzt werden (wie beispielsweise der Vortrag zur Frauenbewegung), so dass jeder es versteht.
Die Vertreter der erst vor wenigen Wochen gegründeten Jeunes Pirates äußerten sich sehr wohlwollend gegenüber dem Camp, sie sind schon zum zweiten Mal hier. Der Vorsitzende Paul Berettoni (@cmal_PP) sagt mir, dass er sich sehr auf das Camp der Ung Pirat (Junge Piraten Schweden) freue, in dessen Verlauf am 9. August die Young Pirates Europe gegründet werden sollen. Auch deutsche Vertreter, unter anderem Julia Reda (@Senficon), die auch schon bei den strukturellen Vorbereitungen in Brüssel dabei war, werden in Schweden vor Ort sein.
Die französischen Teilnehmer kommen alle aus Paris und sind schon vor ihrer Zeit bei der französischen Jugendorganisation befreundet. Es seien ihre Ideale, die sie zusammenhalten, sagt Paul. Er ist auch der Überzeugung, dass sehr viele Menschen in der Bevölkerung – und er spricht nicht nur von der französischen – die piratigen Werte teilen, es ihnen jedoch nicht bewusst sei und sie nicht wüssten, wo sie das einsetzen können. Das zu ändern, verstehe er unter anderem als seine Aufgabe.
Der sonnengebräunte Aktivist macht auf mich einen sehr optimistischen Eindruck, gleichzeitig merkt man ihn aber auch an, dass ihm der innerparteiliche Stress, der auch in Frankreich bei den Piraten nicht zu kurz kommt – er redet sogar von Korruption – sehr an die Nieren geht. Die Jeunes Pirates würden sich laut ihm deswegen deutlich von der französischen Piratenpartei (Le parti pirate) distanzieren.
Obwohl zu der mittäglichen Zeit, in der ich dort bin, viele noch in ihren Zelten schlafen und es sehr verregnet ist, geht es im Vortragszelt selbst sehr lebendig zu. Da wird sich angeregt über den Rücktritt des brandenburgischen Ministerpräsidenten Platzeck unterhalten, Gruppenkuscheln durchgeführt, weil jemand für das Abendessen einen Nudelauflauf macht oder über die Gleichberechtigung von Frauen diskutiert. Insgesamt eine sehr anregende Situation.
Die drei Weißrussen, die alle aus Minsk kommen, sind im Vergleich zu den sehr aufgeschlossenen Franzosen eher zurückhaltend, geben mir aber trotzdem bereitwillig Informationen, nachdem ich mich direkt zu ihnen setze. Mikhail Volchek ist einer von ihnen.
„We are IT-guys!“, sagt er zu mir, nachdem ich ihn nach seinem Beruf frage. Sviatlana entwickelt Computer-Software und Marina und er sind beide Webentwickler. Sie sagen, sie seien mit der Stimmung auf dem Camp sehr zufrieden.
Im Programm für den Folgetag steht ein Vortrag der Roten Hilfe, die linke Schutz- und Solidaritätsorganisation, die Tipps zu „Was tun, wenn’s brennt?“ liefern soll.
Auch sind verschiedenste Piraten aus Berlin vor Ort gewesen, so beispielsweise der Abgeordnete Dr. Simon Weiß und die Gecko-Squad-Mitglieder Michael Karek und ebenfalls Abgeordnete Simon Kowalewski).
Nachdem die meisten am Mittwoch, dem 31. Juli am frühen Nachmittag abgereist sind, zieht Tina auf Twitter folgendes Fazit: „I survived #jc13!“
Und nicht nur sie hat es überlebt – bis auf ein Veilchen bei „Capture The Flag“ und einem eingeklemmten Finger soll es auch sonst keine größeren Verletzungen gegeben haben.
Und anscheinend ist auch niemand gestorben.
Text von @FlowJobs_
Zweites Paar Augen: Konstanze Dobberke, Björn Glienke
🙂 Wie gerne würde ich das Gesicht der RTL Leute sehen, also die ohne Filmmaterial wieder abreisen mussten…herrlich…schade, dass es keiner von euch gefilmt hat 😉
Tolle Sache mit dem Filmteam!
Der Zusammenhang zwischen Sterben und Camp erschließt sich mir allerdings nicht.
Das ist schon eine ziemlich große Aufmerksamkeit für das Camp. Gibt es eigentlich eine Altersbegrenzung, wenn der älteste Teilnehmer 27 ist?
@Hanna: Siehe zu Beginn, scheinbar gab’s größere Problemchen bei den vorigen Treffen, weswegen auch der Kommentar von Tina König (@TnaKng) hierzu.
Man merkt, dass Politik viele jüngere bewegt und das finde ich richtig gut. Bewegend ist auch der vermutlich spontane Besuch aus Köln. Viele Grüße an RTL aus Köln – Organisation und freundliches Fragen ist Alles. Gut für die mediale Aufmerksamkeit, aber so etwas muss schon abgesprochen werden. Hier lag‘ jedoch anscheinend ein Spontanbesuch vor.