„Was darf das Internet? – Pornografie, Rufmord und geistiger Diebstahl: Es ist an der Zeit, im Netz die Regeln des Rechtsstaats durchzusetzen!“ lautet die Titelstory der aktuellen Ausgabe der Zeit. Illustriert wurde sie mit einem großpixeligen Foto zweier sich lasziv räkelnder Frauen, welche auf entsprechenden Portalen wahrscheinlich als „geile Schlampen“ umschrieben wären.
„Wider die Ideologen des Internets!“ ist eine der beiden Kampfschriften die sich dort mit der Frage um Freiheit und Restriktion auseinandersetzen.
Dazu wurde dem Journalisten Heinrich Wefing Platz für ein Pamphlet eingeräumt das an Fehlinformation und Populismus kaum zu überbieten ist und erneut demonstriert wie aussichtslos eine Annäherung zwischen Internetausdruckern und Anhängern der Netzkultur mittlerweile zu sein scheint.
Argumente der Kritiker an Internetsperren und Alternativmodelle zur Vergütung von Wissen und Kultur im digitalen Zeitalter werden so konsequent ignoriert wie es bereits seit langem auch die Bundesregierung tut. „Kinderschützer“ und „Datenschützer“ werden in dem Artikel als Gegner mit unterschiedlichen Zielen voneinander abgegrenzt, frei nach der Vorstellung Datenschutz sei Täterschutz und wer sich gegen Netzsperren ausspeche unterstütze Kindesmissbrauch. Es wird mit den längst widerlegten Fehlvorstellungenargumentiert, dass es sich beim Internet um einen rechtsfreien Raum handele und das Reproduzieren von kulturellen Werken wird mit dem Diebstahl physischer Tonträger im Plattenladen gleichgestellt.
Findet tatsächlich keine Zensur statt, so wäre dies laut Wefing gleichbedeutend mit einem Grundrecht auf „freien Zugang zu Vergewaltigungsbildern, Terrorvideos oder Nazipropaganda“.
Der Artikel macht zudem erneut deutlich wie sehr die Vorstellungen von Demokratie und Freiheit und die Wahrnehmungen neuer Kommunikationskanäle in den aktuellen Debatten auseinander gehen. In Werfings Vorstellungen handelt es sich bei der Internetgemeinde um rücksichtslose Zeitgenossen, welche die Minderheiten diskriminieren und das Faustrecht proklamieren.
„Was hier gefordert wird, ist nämlich nicht die Freiheit unter Gleichen. Es ist die Freiheit des Stärkeren, die Freiheit des Lauteren, des Rücksichtslosen, desjenigen, der sich ohnehin durchsetzen kann.“
Gebetsmühlenartig wiederholen die Kritiker der Internetsperren immer und immer wieder, dass eine Zensur keine Kinder schütze und die Inhalte statt dessen tatsächlich entfernt werden müssten.
Längst belegte beispielsweise der Arbeitskreis Zensur wie einfach ein solches Vorgehen auch international möglich wäre, indem er 60 Kinderpornoseiten innerhalb von nur zwölf Stunden löschen lies. Doch die Befürworter der Zensur scheinen tatsächlich nicht an der Entfernung entsprechender Inhalte interessiert zu sein. Zumindest drängt sich dieser Verdacht auf, da auch kein Dialog zustande kommt, nachdem die Wirksamkeit effektiverer Massnahmen sowohl belegt als auch erprobt wurde.
Wefing geht mit seiner Ignoranz sogar so weit, dass er den tatsächlichen Erfolg der Bürgerrechtler und Netzaktivisten des AK Zensur im Kampf gegen Kinderpornografie im Gegensatz zur Bundesregierung verzeichnen konnten, fast vollständig zu leugnen und ihnen vorzuwerfen, keine lösungsorientierten Vorschläge in die Debatte mit einzubringen.
„Sechs deutsche Kinderrechtsorganisationen haben gerade erst „an alle Internetexperten“ appelliert, „ihr Wisen zu nutzen, um die besten Wege zu finden. Alle, die sich jetzt gegen das Sperren von kinderpornografischem Material im Internet aussprechen sind aufgefordert, an konkreten Lösungen mitzuarbeiten.“ Doch bislang sind solche Vorschläge rar.“
Insgesamt sieben Tage lang müssen Kioskbesucher die Titelstory der Wochenzeitung nun ertragen. Und wesentlich länger noch wird es wohl dauern bis sich eine Annäherung beider Positionen in netzpolitischen Fragen abzeichnen könnte.
Auch wenn es wieder mal der typische Mist ist, finde ich es gut, dass es überhaupt mal in der Print-Ausgabe thematisiert wird.
So kann man die „Offliner“ vielleicht endlich mal zum Nachdenken bewegen.
Diejenigen die ernsthaft interessiert sind werden dann auch andere Standpunkte zu dem Thema recherchieren…
nee. Der Artikel ist so widerlich in seiner Ignoranz und in dem Ton, in dem er geschrieben ist – da finde ich deine Haltung zu optimistisch, Sven. Leute, die die Zeit lesen, recherchieren selten weiter im Netz, um sich auch noch andere Meinungen zu Gemüte zu führen – ich hatte gestern eine Dikussion mit einem Zeitleser über diesen Artikel, der sehr beeindruckt von diesem Artikel war und ihn sich schnell zu eigen gemacht hatte. Dieser Artikel ist viel gefährlicher als Bildzeitungsmeinungsmache – denn der Autor gibt vor, kompetent und glaubwürdig zu sein, was er nicht ist – und Leute, die „Gedrucktes“ lesen, erliegen immer noch diesem unbewußten, diffusem Gefühl, was gedruckt ist, muss wahr sein, sonst wäre es nicht gedruckt… Und bei Zeitlesern kommt erschwerend hinzu, das die meisten sich schon intellektuell vorkommen, wenn sie diese Zeitung nur gekauft haben – immerhin ist das doch die ZEIT, oder?? Das ist deren Bibel…
Danke, Nic, gute Antwort!
[…] http://berlin.piratenpartei.de/index.php/2009/05/29/pornografie-rufmord-und-geistiger-diebstahl/ […]