Wenn das Liebesleben, der Körper oder die Geschlechtsidentität von einer angeblichen Norm abweichen, wird eins auch in Deutschland noch immer diskriminiert und du wirst in deinen Rechten eingeschränkt. Michael Melter, Co-Pressesprecher in Berlin und Queer-Aktivist: „Einschränkungen am Arbeitsplatz, beim Sport, dumme Witze, Unverständnis, Aggressionen bis hin zu gewalttätigen Überfällen gehören immer noch zum Alltag. Um das Bewusstsein für diese Situation zu schärfen, beteiligt sich die Piratenpartei aktiv am heutigen „International Day Against Homophobia“, der mittlerweile auch als Tag gegen Trans*phobie und Inter*phobie begangen wird und fordert eine nachhaltige Veränderung der Gesetze zugunsten von allen Queer-Menschen.
Jede Liebe ist gleich viel Wert
Wir wollen ein Update in der Geschlechter- und Familienpolitik: Selbstbestimmung, Vielfalt und Solidarität sollen an die Stelle konservativer Diskriminierungen treten. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften müssen endlich mit heterosexuellen Partnerschaften gleichgestellt werden: Jede Liebe ist gleich viel Wert! Für uns PIRATEN heißt das: Vollständige Gleichstellung, sei es nun im Steuer- oder zum Beispiel im Adoptionsrecht. Gezielte Unterstützung durch den Staat soll es dort geben, wo Kinder aufwachsen oder sich um Pflegebedürftige gekümmert wird. Dabei muss es egal sein, welches Geschlecht die Eltern haben und ob sie verheiratet oder verpartnert sind. Weil echte Gleichstellung auch ins Grundgesetz gehört, setzen wir uns gemeinsam mit vielen Initiativen, Verbänden und anderen Parteien außerdem dafür ein, das Merkmal „sexuelle Identität“ in Art.3 GG aufzunehmen.
In fast 80 Ländern der Welt ist homosexuelle Liebe illegalisiert – bis hin zur Todesstrafe in einigen Staaten. Homophobie und Transphobie bedrohen, führen zu Isolation, verletzen und töten – jeden Tag. Verfolgte müssen in Deutschland endlich echten Asylschutz erhalten – egal ob sie von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite verfolgt werden und egal, ob die Verfolgung rechtlich-offiziell oder inoffiziell erfolgt.
Nicht zuletzt muss ein Update der Politik auch vergangenes Unrecht mitbedenken. Wir treten deshalb ein für die Generalrehabilitierung und die vollständige Aufhebung der §175-Urteile von über 50.000 Schwulen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung nach 1945 bis 1994 vom Staat verfolgt worden sind. Es ist zu prüfen, ob den Opfern Schadensersatz gezahlt werden sollte und in welcher Höhe.
Erst am 17. Mai 1990 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel gestrichen – ein wichtiger Schritt hin zu einer „Normalität“ in Bewusstsein und Umgang – weltweit. Der heutige Tag erinnert seit 2005 an diesen kleinen Schritt der WHO, der große Auswirkung auf viele Menschen hat.
Menschen wissen selbst am besten, wer sie sind
Transsexuelle und intersexuelle Menschen haben in Deutschland kaum eine Lobby. Vorhandene Ignoranz – teilweise auch bei bei Ärzten, Psychologen und Professoren – führt zu Fehlbehandlungen mit teilweise fatalen Folgen für die Betroffenen. Dazu Lena Rohrbach, die sich in Berlin für eine moderne Geschlechterpolitik engagiert und für den Bundestag kandidiert: „Die Piratenpartei stellt sich dem entgegen und schließt sich der Position der Betroffenenverbände an. Geschlechtszuordnende und genitalkosmetische Operationen bei intersexuellen Kindern wollen wir verbieten, da sie ihre geschlechtliche Selbstbestimmung verletzen. Stattdessen ist abzuwarten, bis sie alt genug sind, um sich selbst zu ihrer Geschlechtsidentität zu äußern. Schließlich wissen Menschen selbst am besten, wer sie sind“.
Transsexualität ist keine psychische Krankheit. Eine Erfassung von Transsexualität als Diagnose in Kategorisierungswerken für psychische Krankheiten (z.B. F64.0 und F64.2 im ICD10 bzw. 302.85 und 302.6 DSM IV) lehnen wir deshalb ab.
Wir setzen uns für eine selbstbestimmte und umfassende geschlechtsangleichende Behandlung von transsexuellen Menschen ein, die von den Krankenkassen vollständig übernommen wird. Die sekundären Geschlechtsmerkmale (Gesicht, Stimme, Brüste, etc.) sind dabei für das Sozialleben von besonderer Bedeutung. Jugendlichen Transsexuellen muss eine pubertätsstoppende Therapie ermöglicht werden, um die Geschlechtsmerkmale, die nicht dem Identitätsgeschlecht entsprechen, gar nicht erst entstehen zu lassen. Ansprüche auf professionelle Beratung und Unterstützung sollten daher im Rahmen des Kinder- und Jugendgesetzes verankert werden. All das gilt auch für intersexuelle Menschen, die sich einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlen.
Text von Lena Rohrbach und Michael Melter
Wenn Ihr der Transsexualität ihren Krankheitsstatus absprechen wollt, mit welcher Begründung sollten die Krankenkassen zur Finanzierung herangezogen werden und mit welchen Argumenten wollt Ihr die Beitragszahler davon überzeugen, dass die Krankenkassen zur Deckung von Kosten, die mit keiner Krankheit in Verbindung stehen, belastet werden müssen?
Momentan sind die Kassen gerade deshalb in der Pflicht, weil es für Menschen mit einer transsexuellen Persönlichkeitsstörung eben keine Alternative gibt, ohne Umwandlung ein „normales“ Leben zu führen.
Entrückt Ihr dieses tiefgreifende Problem dem Krankheitskontext und seht es als „Lebensart“, dann wird die finanzielle Belastung der Umwandlung durch niemanden sonst getragen werden als durch die Betroffenen selbst. Und damit Luxus – begleitet von sehr viel Leid.