Am letzten Samstag habe ich an einem Stadtrundgang von Lobby Control teilgenommen und möchte darüber berichten.

Lobbyismus kann allgemein als etwas Positives betrachtet werden. Interessengruppen bringen ihre Anliegen, sowie ihre Wünsche und Bedenken in die politische Entscheidungsfindung ein. Sofern die Möglichkeiten von allen Interessengruppen, sich in die Politik einzubringen, gleich gewichtet sind, nennt man das Demokratie. Die Realität zeigt uns leider, dass die Möglichkeit, sich in die Politik einzubringen, entscheidend von der Finanzkraft einer Interessengruppe abhängt. Um dem entgegen zu wirken, sind Organisationen wie Lobby Control wichtig.

Die Organisation schätzt, dass sich in Berlin 5.000 Lobbyisten tummeln, in Brüssel sollen es um die 35.000 Lobbyisten sein. Auf der Verbändeliste des Deutschen Bundestages sind 2.174 Verbände registriert. Lobby Control fordert mehr Transparenz, um zu sehen, welche Interessenvertreter in welcher Weise, in welchem Umfang und zu welchem Zweck unsere Politik beeinflussen, auch mit dem dahinter stehenden Geld. In Deutschland konnte ein Lobbyregister bisher nicht erreicht werden. Für die EU gibt es ein freiwilliges Lobbyregister, in das sich wohl nur geschätzt 40% der Lobbyisten eingetragen haben. In den USA funktioniert ein Lobbyregister. Dort gibt es harte Sanktionen für die, die sich nicht eingetragen haben.

Lobbyismus funktioniert auf verschiedenen Wegen. Es geht dabei nicht nur um die Firmen und Organisationen, deren bezahlte Mitarbeiter bis 2008 ihre Schreibtische direkt im Bundestag hatten oder die sich direkt mit Politikern oder deren Mitarbeitern treffen. Es geht auch um ehemalige Politiker, die nach ihrer Karriere im Bundestag hohe Positionen in Unternehmen eingenommen haben und danach oder daneben teilweise wieder in die Politik zurück gekehrt sind. Es geht um Nebenbeschäftigungen von Politikern in Unternehmen, sowie auch um Politiker oder ehemalige Politiker, die scheinbar soziale Initiativen aufbauen, die jedoch von Unternehmen bezahlt werden und Unternehmensinteressen als soziale Notwendigkeiten verkaufen. Die Querverbindungen sind vielfältig.

Der Stadtrundgang begann an dem Polit-Kult Lokal „Ständige Vertretung“ am Schiffbauer Damm und führte vorbei an mehreren Lobby-Büros zwischen der Friedrichstraße und der Straße Unter den Linden, am Büro der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), des Deutschen Brauereibundes, des ZDF, von VW, EON und EUTOP.

So haben wir gelernt, wie die von Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie mit jährlich 8,8 Mio. Euro bezahlte INSM, deren Ziel ein Klimawechsel zu Gunsten des „Unternehmergeistes“ ist unter dem Slogan „Höchste Zeit für Reformen“ unseren sozialen Abstieg mitgestaltet hat. Diese Initiative druckt u.a. auch gut aufgemachtes Unterrichtsmaterial für Schulen, das kostenlos abgegeben wird und in dem der Nutzen von Leiharbeit und Hartz IV erklärt wird.

Wir erfahren auch etwas darüber, wie der Deutsche Brauereibund es schaffte, erfolgreiche Maßnahmen gegen den Alkoholkonsum von Jugendlichen zu blockieren. Auch auf interessante politische Karrieren, wie die eines Gerald Hennenhöfer, der schon in den 90-er Jahren oberster Verantwortlicher für Reaktorsicherheit war und seit 2009 wieder ist. Hennenhöfer hatte zwischendurch eine führende Position bei E.ON. im Bereich Atomenergie.

Vor dem Automobilforum von VW erfuhren wir, was Greenwashing ist und warum die CO2 Ausstoß Klassifizierung nicht vom absoluten CO2 Ausstoß eines Fahrzeuges abhängt, sondern vom CO2 Ausstoß pro Gewicht eines Fahrzeuges.

Natürlich waren das nur sehr wenige Stationen zum Thema Lobbyismus im Deutschen Bundestag. Viel mehr erfahren kann man zum Beispiel in dem von Lobby Control herausgegebenen Reiseführer LobbyPlanet, der Auskunft über geschätzt 300 Lobbyisten, sowie über zahlreiche Personen aus Unternehmen und Politik gibt.

 

Beate
Mitglied aus Spandau im LV Berlin

 

Zweites Paar Augen: Emilio Paolini

3 Kommentare

  1. 1

    Ich bin seit Mai 2012 Mitglied der Piraten . Am 10.09.2012 lief in der ARD ein Bericht über die Verstrickung der FDP mit der Automaten-Industrie. Nur die Piraten des Landesverbands Bayern -soweit mir bekannt ist- und „LobbyControll“ haben dazu Stellung genommen. Ich dachte bisher immer, dass der Kampf gegen Intransparenz und Lobbyismus ein zentrales Thema der Piratenparte sei und habe einen Sturm der Entrüstung erwartet, leider war davon nichts zu hören!

  2. 2

    Das Problem sind nicht die Lobbyisten an der Spitze, sondern deren viele Handlanger, die dieses System tragen und bereit sind, für geringe Vorteile einfach alles zu tun. Mittlerweile wurden diese auch in der Piratenpartei auf allen Ebenen eingeschleust, um deren gewünschte Meinung und Politik einzubringen. Es ist mittlerweile hier schon beinahe das Gleiche wie bei der CDU, der SPD oder z.B. den Grünen – überall dirigiert die gleiche Gruppe im Hintergrund über primitive Vorteilchen, wo es lang gehen soll.
    Ich bin seit 2011 Mitglied bei den Piraten und habe die Treffen dann bald wieder gemieden, nachdem ich feststellte, dass auch hier wieder die üblichen „Brüder“ und „Schwestern“ auftauchen, die aufgrund ihrer internen Organisationen – die in gewisser Weise Stasi-ähnlich funktionieren – systematisch überall eingeschleust werden.

    Gerade für jüngere Menschen bietet die Mitgliedschaft in diesen „stillen“ Hintergrundorganisationen („Service Clubs für Rotarier oder Lions“/Freimaurer) scheinbar immense Vorteile: Seien es bessere Aufträge als Handwerker bis hin zur Hochschulkarriere. Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich permanent kontrollieren zu lassen und die Befehle der täglichen Memos ohne Rückfragen umzusetzen. Wer brav ist und eine Weile lang perfide funktioniert, kann mit beruflichem Aufstieg rechnen – aber auch mit Vorteilen an allen möglichen und unmöglichen Stellen (bis hin zu besseren Krankenkassenbeiträgen übrigens).

    Im Folgenden eine Liste für den Umkreis von 50 km – wenn man nur nach Anlaufstellen für „bürgerliche Interessierte“ fragt. Rotarier oder noch privilegiertere (teurere) Clubs also nicht inbegriffen:

    Zu den drei Lilien (Mat. Nr. 648)
    Zu den Alten Pflichten (Mat. Nr. 657)
    Zum Goldenen Schiff (Mat. Nr. 68)
    Zum schwarzen Adler (Mat. Nr. 699)
    Zum flammenden Stern (Mat. Nr. 62)
    Friedrich zur lichten Höhe (Mat. Nr. 619)
    Avantgarde (Mat. Nr. 1011)
    Ring der Ewigkeit (Mat. Nr. 615)
    Friedrich der Große – O – Prometheus (Mat. Nr. 618)
    Aufwärts (Mat. Nr. 709)
    Zum Pegasus (Mat. Nr. 71)
    Zur Beständigkeit (Mat. Nr. 95)
    Zur Werkstatt (Mat. Nr. 979)
    Gustav Stresemann (Mat. Nr. 1028)
    Berlin 46 Outpost (Mat. Nr. 895)
    Zur Verschwiegenheit (Mat. Nr. 88)
    Zum Todtenkopfe und Phönix (Mat. Nr. 73)
    Phoenix (Mat. Nr. 847)
    Zu den drei Seraphim (Mat. Nr. 86)
    Zur siegenden Sonne (Mat. Nr. 580a)
    Am Berge der Schönheit (Mat. Nr. 581a)
    Blücher von Wahlstadt (Mat. Nr. 296)
    Zur Eintracht (Mat. Nr. 29)
    Victor zum goldenen Hammer (Mat. Nr. 307)
    Zur siegenden Wahrheit (Mat. Nr. 185)
    Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit – Pythagoras zum flammenden Stern
    (Mat. Nr. 184)
    Zum Pilgrim (Mat. Nr. 107)
    Zum Goldenen Pflug (Mat. Nr. 108)
    Urania zur Unsterblichkeit (Mat. Nr. 183)
    Kurfürstin Luise Henriette (Mat. Nr. 534, Entfernung: 4,23 km)
    Friedrich Wilhelm zur Morgenröte (Mat. Nr. 370)
    Galilei zur ewigen Wahrheit (Mat. Nr. 516)
    Germania zur Einigkeit (Mat. Nr. 529)
    Excelsior zum Spiegel der Wahrheit (Mat. Nr. 532)
    Zur Treue (Mat. Nr. 428)
    Drei Lichter im Felde (Mat. Nr. 513)
    Friedrich Ludwig Schroeder (Mat. Nr. 506)
    Victoria (Mat. Nr. 492)
    Bruderbund am Fichtenberg (Mat. Nr. 477)
    Harmonia zur Treue (Mat. Nr. 496)
    Stern von Sanssouci (Mat. Nr. 751)
    Teutonia zur Weisheit (Mat. Nr. 236)
    Minerva (Mat. Nr. 59)

    Dies sind nur die einfachen Logenzentren für die einfachen Bürger im unmittelbaren Umkreis von Berlin!
    Man beachte ferner die Namen dieser Logen – und es ergreife einen das Gruseln: „Germania“, „Bruderbund“… „Zur Verschwiegenheit“.
    Mich erstaunt daher, dass der Verfassungsschutz noch nicht aufgemerkt hat….

    Und eben dies wäre ein wichtiges Thema für die Piraten: Zum einen eine Prüfung, inwieweit der Verfassungsschutz von diesen
    Netzen gekauft wurde/wird – und vor allem ein Filtern in den staatlichen Institutionen bis hin zur eigenen Partei, inwieweit die
    „Brüder“ und „Schwestern“ sich hier an den entscheidenden Schnittstellen eingenistet haben….

    Silke (Piratenpartei/Reinickendorf)

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