Ein Gastbeitrag von Dr. Angelika Brinkmann, Politikwissenschaftlerin
Am Mittwoch, den 7. November 2018, fand sich Präsident Trump in der gleichen Situation wieder wie vor ihm bereits Ronald Reagan 1982, Bill Clinton 1994, Georg W. Bush 2006 und Barack Obama 2010. Die Partei des jeweils regierenden Präsidenten war von den Wählern geschrumpft worden und hatte bei den Zwischenwahlen eine Niederlage erlitten. Das ist nicht so ungewöhnlich, denn nach der Hälfte jeder Amtszeit eines Präsidenten wird ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Die Zwischenwahlen zu den beiden Kammern des US-Kongresses gelten als Indikator dafür, wie beliebt die Politik eines Präsidenten ist. Meist nicht besonders, zumindest in den letzten Jahrzehnten. Daher bestraften die Wähler konsequent die Partei des Präsidenten – den Demokraten Bill Clinton genauso wie den Republikaner George W. Bush.
Lediglich Ronald Reagan, einer der populärsten Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg, blieb eine Schlappe bei Zwischenwahlen erspart, obwohl er zur Halbzeit noch unbeliebter als Barack Obama war: 1982 waren nur 42% der Wähler mit Reagan zufrieden, während Obama immerhin 46% verbuchen konnte.
Eine kleine blaue Welle und ein bisschen rosa Revolution
Die Demokraten wollten eine große blaue Welle auslösen und die Mehrheit in beiden Kammern des Kongress‘ zurückerobern, das ist nicht geglückt.
Ein Erdrutschsieg wäre nichts Besonderes gewesen. Zum Vergleich: Bei der Wahl Obamas im Jahr 2008 hielten die Demokraten die Mehrheit an beiden Kammern des Kongresses. 2008 hatten die Demokraten 257 Stimmen gegen 178 der Republikaner. Nach den Zwischenwahlen 2010 hatte sich das Verhältnis umgekehrt in 185 für die Demokraten zu 239 für die Republikaner. Die Mehrheit im Senat schrumpfte von 59 auf äußerst knappe 51 Sitze.
Es gab also keinen blauen Tsunami, aber doch bemerkenswerte Entwicklungen. Hier soll nur auf einige besondere Resultate eingegangen werden.
In Ohio konnte der Amtsinhaber Sherrod Brown seinen Senatssitz gegen den republikanischen Herausforderer verteidigen und zwar mit mehr als sechs Prozent Vorsprung. Das ist umso bemerkenswerter, weil Präsident Trump bei den Wahlen 2016 Ohio mit 9 Prozent Vorsprung vor Hillary Clinton gewonnen hatte und der Posten des Gouverneurs ebenfalls an einen Republikaner ging. Möglicherweise ist Brown auch ein aussichtsreicher Kandidat für die nächsten Präsidentschaftswahlen.
Insgesamt verloren die Demokraten bisher 3 Senatssitze, in North Dakota, Missouri, und Indiana. Einige Rennen sind noch nicht entschieden („to close to call“), so z.B. das vielbeachtete Rennen um den Senatssitz von Arizona. In Nevada konnten sie einen Senatssitz gewinnen. Große Beachtung fand das Rennen in Texas zwischen dem demokratischen Herausforderer Beto O‘Rourke und Amtsinhaber Ted Cruz. Obwohl O‘Rourke große Summen an Wahlkampfspenden eingeworben hatte, konnte er den Senatssitz nicht gewinnen.
Noch nie gab es so viele weibliche Kandidaten für die Wahlen zum Senat und Repräsentantenhaus, 198 für die Demokraten und 59 für die Republikaner. 95 Frauen schafften den Einzug ins Repräsentantenhaus, zur Zeit gibt es dort 85. Mit Sharice Davids (Kansas) und Deb Haaland (New Mexiko) werden die ersten beiden Abgeordneten mit indianischen Wurzeln ins Repräsentantenhaus einziehen. Ilhan Omar (Minnesota) und Rashida Tlaib (Michigan) werden die ersten beiden Muslima im Repräsentantenhaus sein. In Kalifornien sind in zwei Wahlbezirken (25+48) die langjährigen republikanischen Amtsinhaber stark unter Druck und die Abstände nur hauchdünn.
Auch entscheidend ist, dass die Demokraten sieben Gouverneursposten gewinnen konnten, darunter so wichtige wie Illinois, Michigan und Wisconsin.
Kein Erwachen der Macht aber ein wenig Hoffnung
Ein großer Vorteil dieser Zwischenwahlen: Durch ihren Sieg können die Demokraten sämtliche Ausschussvorsitzenden im Repräsentantenhaus stellen und damit eigene Themen setzen sowie Untersuchungsauschüsse einrichten. Sie können dann z.B. die Russland-Kontakte des Präsidenten genauer untersuchen sowie seine Steuerunterlagen anfordern oder sich mit der Änderung des Staatsbürgerrechts befassen. Ebenso ist es möglich, dem Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko Einhalt zu gebieten (durch Verweigerung der Haushaltsmittel) und die Zerstörung der Krankenreform (Affordable Care Act/ACA) zu verhindern.
Bereits 2010 war es so, dass viele Amerikaner sich durch das Zwei-Parteiensystem nicht repräsentiert fühlten. Letztlich war es immer so, dass eine Partei übernahm, und ihre Mandate bzw. die durch die Wahl gewonnene Beauftragung überinterpretierte, dafür abgestraft wurde, dann kommt die andere und macht es genauso.
Trump schaffte es, dass die Amerikaner in einem Krieg mit sich selbst sind, ein Bürgerkrieg neuerer Art. Meinungsverschiedenheiten sollten aber besser in einem Abstimmungslokal gelöst werden. Während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 behauptete er ständig, dass es Wahlbetrug gäbe – dass die Wahlresultate nur dann zuträfen, wenn er gewinnen würde, d.h. er stellte die Integrität des politischen Systems in Frage. Letztlich sagte er den Wählern, keine Wahl zu akzeptieren und als legitim zu betrachten, die ihn als Wahlverlierer sah und stellte somit klar, dass politische Opposition grundlegend illegitim ist.
Waren die Zwischenwahlen nun eine Richtungswahl? Nein, die bisher vorliegenden Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die U.S.A. als gespaltenes Land in die Wahlen hinein gingen und ebenso gespalten wieder herauskamen. Die Bewohner der Ost- und Westküste, die städtische Bevölkerung und die sie umgebenden Wahlkreise stimmten mehrheitlich für die Demokraten, während die eher ländlichen Gegenden ihre Stimme den Republikanern gaben.
Ist der Gewinn der Demokraten eine Niederlage für Trump? Ja, die Demokraten werden in der Lage sein, innenpolitische Themen zu blockieren und ihn mit sehr kritischer Aufmerksamkeit zu beobachten, die er so bisher nicht gewohnt ist. Die Zwischenwahlen waren aber auch ein Sieg für die Demokratie, denn die Wahlbeteiligung war fast doppelt so hoch wie 2014. Das Land ist vermutlich einfach zu groß, um dauerhaft in eine Monokultur zu versinken. Die Demokratie ist weiterhin „alive and kicking“.