Ein Gastbeitrag von Dr. Angelika Brinkmann

Seit den Zeiten Ronald Reagans wird gerne bei Wahlen die Frage gestellt: Geht es Ihnen heute besser als vor vier Jahren? Der Wähler sagt nein und wählt am 5. November 2024 Donald Trump.

Dies ist nur auf den ersten Blick überraschend. Er selber sieht seinen Sieg vermutlich als „Wiedergutmachung“ für den nach seiner Argumentation behaupteten „gestohlenen“ Wahlsieg von 2020. Noch während des Wahlkampfs hat Trump angekündigt, dass eine seiner ersten Amtshandlungen nach gewonnener Wahl die Begnadigung jener „Patrioten“ sein wird, die für den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zu Haftstrafen verurteilt wurden.

Offensichtlich fand eine große Anzahl von Amerikanern das Angebot von Trump attraktiv: Massendeportationen illegaler Einwanderer, ein Ende der Globalisierung und ein Zurückdrängen wenn nicht Ablehnung von zu viel Liberalität gegenüber Minderheiten; für die Wähler war die Lage Wirtschaft, vor allem die hohe Inflation offenbar wahlentscheidend, weniger die Warnung vor einer möglichen Schädigung der Demokratie, einer Entwicklung hin zu einer Autokratie durch eine erneute Wahl Trumps und das Projekt 2025.

Eine Mehrheit der Wähler hat anscheinend auch wenige Probleme damit, dass eine Kandidatin die Verfassung respektiert, der andere Kandidat diese aber abschaffen möchte.

Denn sie wissen nicht was sie wählen
Trumps Vorhaben Strafzölle (20% allgemein, 60% auf Produkte aus China) auf Importe zu erheben, lässt keine große Wirtschaftskompetenz sowohl bei Trump als auch seinen Wählern vermuten. Im Gegensatz zu dem, was Trump den Wählern weismachen möchte, funktioniert dies nicht wie bei Steuern und schadet nicht den Firmen, sondern verteuert Produkte, was wiederum von den Konsumenten durch höhere Preise zu bezahlen ist.

Ob tatsächlich ein goldenes Zeitalter für die Amerikaner anbricht, ist sehr fraglich.[1] Die Mittelklasse wird eher nicht gestärkt, gesenkte Steuern werden sicherlich für einige seiner Großspender von Vorteil sein. Aber diese können die Stabilität des Systems, welches sie reich gemacht hat, auch nicht mehr für selbstverständlich nehmen.

Und Europa?
Europa ist hoffentlich auf Trumps Unberechenbarkeit besser vorbereitet. Bereits während des Wahlkampfs hat er angekündigt, aus dem Pariser Klimaabkommen wieder auszusteigen. Auch den Krieg in der Ukraine kann er angeblich gleich beenden, leider hat er nicht verraten wie, aber zu vermuten ist ein Deal außerhalb internationaler Allianzen direkt mit Putin.
Europa weiß nun, dass Trump eine regelbasierte Ordnung ablehnt, genauso wie multilaterale Verträge, ebenso internationale Konferenzen wie die G 20 oder COP.

Fazit I
Festzuhalten ist, das Aufkommen der populistischen Rechten und die Betonung von „culture wars“ und sozialen Themen, ist kein US-Phänomen und nahm dort auch nicht seinen Anfang. Der Brexit machte vor Trump den Anfang und in Europa sind in vielen Ländern radikale rechte Politiker an der Macht.
Die U.S.A. hatten auch schon vorher unilaterale Präsidenten, zum Beispiel George W. Bush bei Amtsantritt 2001. Trumps große Abneigung gegen das globale System und Vorliebe für Einzelverhandlungen und Abkommen anstelle von Prinzipien bedeutet aber die größte Herausforderung seit 1945.

Die Unberechenbarkeit Donald Trumps kann aber auch völlig andere Auswirkungen haben. Er wird sich vermutlich um sein Bild in den Geschichtsbüchern kümmern, und da möchte er vielleicht doch nicht als ein Präsident mit den meisten Massenabschiebungen gelten und als einer, der China und Russland nun die Bühne überläßt um von Putin als „Regionalmacht“ eingestuft zu werden. [2]
Da ihm nun die Abrechnung für die verlorene Wahl 2020 gelungen ist, kann er auch Milde walten lassen und außenpolitisch andere Töne anschlagen, vielleicht sogar Allianzen wertschätzen lernen, um ein Beispiel zu nennen.

Jedes Mal, wenn die U.S.A. versuchten, sich von der internationalen Bühne zurückzuziehen, mussten sie irgendwann aufgrund geopolitischer Instabilität wieder zurückkehren. Auch Trump wird vermutlich erkennen, dass die U.S.A. von Frieden und Ordnung nach dem 2. Weltkrieg profitiert haben, die die internationale Ordnung nach dem 2. Weltkrieg hervorbrachte. Trump ist zwar ein begabter Redner, manche würde sogar charismatisch sagen, aber ob der von ihm begründete Populismus von anderen weitergetragen werden kann, bleibt abzuwarten.

Wieso keine Präsidentin?
Es ist nicht so, dass die Wahl verloren ging, weil die Demokraten keine Kontrolle über den Wahlverlauf hatten. Nach Hillary Clintons Niederlage 2016 wurde als Erklärung für die Niederlage russischer Einfluss angeführt; [3] dies greift aber zu kurz. Letztlich war es 2024 die Unfähigkeit, die Stimmung der Wähler richtig einzuschätzen und eine nicht ganz so optimale Kandidatin in Bezug auf Wirtschaftsthemen auszuwählen, die die Niederlage verschuldeten. Fast 80% der Amerikaner gaben bei Nachwahlbefragungen (exit polls) an, dass für sie die Wirtschaft das wichtigste Wahlkriterium war, von diesen haben 70% Trump gewählt.
Dies mag für Außenstehende etwas merkwürdig erscheinen, denn das Wachstum ist solide, die Inflation geht leicht zurück und die Arbeitslosenquote ist niedrig.
Berücksichtigt man allerdings die Tatsache, dass seit 2021 die Preise um 20% gestiegen sind, und dass die Mieten und die Gesundheitskosten schwerer zu stemmen sind, sieht es anders aus; ein Grund für die steigenden Kreditkartenschulden.

Das Thema Abtreibung als Mobilisierung war nicht ausreichend, und obwohl der Inflation Reduction Act für sehr viele Arbeitsplätze in den U.S.A. sorgte, kam dies der Kandidatin nicht zu Gute. Was ihr offensichtlich auch nicht geholfen hat, waren die vielen Wahlempfehlungen berühmter Künstler, Sportler und Politiker sowie die Tatsache, dass ehemalige hochrangige Mitarbeiter der Trump Administration wie zum Beispiel John Kelly, der ehemalige Stabschef im Weißen Haus, vor seiner Wahl gewarnt haben.Die vielen unter 30-jährigen und hispanischen Wählern waren entweder nicht auf den medialen Plattformen unterwegs, wo gewarnt wurde oder es war nicht wichtig für sie.

1989
Die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg gelten als großer Aufbruch. Im Westen stiegen die Geburtenraten, der Lebensstandard und das Wirtschaftswachstum.
Das Ende der Systemkonfrontation, welches sich gerade zum 35. Mal jährte, war auch zugleich der Beginn einiger der politischen Probleme, die wir heute haben. Der „äußere“ Gegner, die Sowjetunion bzw. der Warschauer Pakt, verschwand, so konnten sich „innere“ Gegner von Liberalität und Kooperation sowie populistischen Strömungen ausbreiten, in den U.S.A. wie in Europa.

Neuwahlen – Fazit II
Der Bruch der Ampel-Koalition zeitgleich mit dem Sieg Trumps erscheint nur auf den ersten Blick als Zufall. Der Bruch der Koalition ist besonders ein Beleg dafür, dass funktionierende Dreierkoalitionen auf Landesebene nicht automatisch auf die Bundesebene übertragbar sind. Was nicht nur mit den handelnden Personen zusammenhängt, sondern auch den unterschiedlichen gesetzlichen Zuständigkeiten.
Allein das Gezerre um den Neuwahltermin zeigt, dass Machtoptionen immer im Vordergrund stehen und nicht das vielbeschworene Wohl des Landes. Wer wie Friedrich Merz impulsiv und überhastet schnellstmögliche Neuwahlen fordert, ohne darüber nachzudenken, dass ja, nur als Beispiel, Landeslisten, Briefwahlunterlagen, Wahlhelfer und Wahllokale bereitgestellt werden müssen, wirkt wenig Vertrauen erweckend und eher nicht geeignet, Kanzler zu sein. Dem Wahlbürger bleibt nur, genau darauf zu achten, wo noch gesetzliche Einigungen herbeigeführt werden. Die vielen Millionen Besitzer von Deutschlandtickets zu verärgern, ist da nicht ratsam.

============================================================

[1] Erinnert sei hier an den beinahe kulthaften Moment, als Trump 2015 die goldene Rolltreppe im Trump Tower herunter glitt, um seine Kandidatur zu verkünden.

[2] 2012 bezeichnete der damalige US-Präsident Obama Russland als Regionalmacht.

[3] Während des Wahlkampfs gemachte, widersprüchliche Äußerungen Trumps an seine Wähler, wie z.B. „ihr braucht nicht mehr wählen zu gehen, wir haben genug Stimmen“, aber auch: Ihr braucht nur noch einmal zu wählen, werden hier nur erwähnt.

Was denkst du?