von Dr. Angelika Brinkmann
Am 24.02. 2022 überfiel Russland die Ukraine. Was zunächst als leichte Beute aussah, erwies sich als Transformation nicht nur für den überfallenen Staat sondern auch die ihn unterstützenden europäisch-westlichen Nationen.
Dies macht sich nicht nur an der militärischen Unterstützung fest sondern auch am Sprachgebrauch. Russland spricht nach wie vor von einer militärischen Spezialoperation, die Ukraine und die sie unterstützenden Staaten von Krieg. Unter einer Operation versteht man zielgerichtetes, raum-zeitlich zusammenhängendes militärisches Handeln einer Seite.
Eines ändert sich trotz unterschiedlicheer Definitionen nicht: Es geht immer darum, dem Gegner den eigenen Willen mit militärischer Gewalt aufzuzwingen. Die Mittel der Kriegsführung ändern sich, auch die Kontexte, aber es geht immer um den Nutzen von Asymmetrien.
Beim Anbruch des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatten sich die internationalen Konflikte zu einer fast unüberschaubaren Vielfalt von Erscheinungsformen erweitert. Einen großen Raum nahmen und nehmen dabei diejenigen konventionellen Konflikte ein, die mit Waffen ausgetragen wurden, die denen des Zweiten Weltkriegs ähnelten.
Die Entwicklung ferngelenkter Flugkörper, deren Abschussvorrichtungen sich im Kampfgebiet schnell fortbewegen ließen, von Infanteristen getragen werden können, führte bereits in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts dazu, dass Zweifel aufkamen, ob die Luftherrschaft über dem Kampfgebiet durch bemannte Flugzeuge und die Herrschaft auf dem Schlachtfeld durch schwere Kampfpanzer entschieden werde. [z.B. Lawrence Martin: Arms and Strategy: An International Survey of Modern Defence, London 1972]
Mehr als eine Materialschlacht im 21. Jahrhundert
Während im Osten ein Krieg nach den bekannten Mustern abläuft, hat sich für den Westen viel verändert, für den der Begriff Zeitenwende nur sehr unzureichend ist. Bereits kurze Zeit nach dem Überfall stellte Elon Musk seine Star-Link Satelliten der Ukraine zur Verteidigung zur Verfügung; inwieweit die jetzige teilweise Rücknahme dieser Unterstützung, die erheblich die Fähigkeiten der Ukraine zur Verteidigung beschränken wird, auch mit dem Einstieg des saudischen Königshauses bei Twitter zusammenhängt, lässt sich nicht klären; bekannt ist aber der durchaus freundschaftliche Kontakt zwischen dem saudischen Königshaus und dem russischen Präsidenten.
Um die Ukraine zu unterstützen, reicht es aber auch nicht, einfach Waffen zu schicken und die ukrainischen Soldaten daran auszubilden. Es muss auch eine entsprechende Produktion wieder erfolgen, als wenn die NATO-Staaten selbst im Krieg sind.
Entscheidend für die Unterstützung und Präsenz des Krieges im Alltag westlicher Gesellschaften ist aber auch die Persönlichkeit der beiden Personen an der Spitze. Der eine, Präsident Selensky, ist allgegenwärtig durch Video-Konferenzen und mittlerweile auch persönliche Besuche in westlichen Hauptstädten und hält so die Aufmerksamkeit aufrecht, während das Schweigen des russischen Präsidenten Putin sich als zusätzliches Hindernis für seine Kriegsziele erweist.
Auch das Aufstellen eines ausgebrannten Busses aus Butscha auf dem Kurfürstendamm im August 2022, um an die Gräueltaten zu erinnern und den Krieg mitten auf eine Haupteinkaufsstraße mit ebenfalls hohem Touristenaufkommen zu stellen, ist ein Teil einer Verteidigung, die nicht nur mit Waffen, sondern auch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln der modernen Medien, erfolgt. Welchen Ausgang diese Materialschlacht herkömmlicher und neuerer Art nehmen wird, ist noch nicht erkennbar.
In Erich Maria Remarques berühmtem Roman Im Westen nicht Neues, auf Englisch „All quiet on the Western Front“, über die Erlebnisse eines jungen deutschen Soldaten im 1. Weltkrieg stellt der Protagonist fest: Krieg ist Krieg.
Mit Ausnahme des Vorteils für einige Profiteure, lässt sich die ganze Absurdität und Widersinnigkeit von Krieg aber am besten mit dem durch Edwin Starr berühmt gewordenen Lied „War“ über den Vietnam-Krieg festhalten: War, what is it good for? Absolutely nothing.
Eine weiterführende Diskussion zum Thema Krieg in der Ukraine und wie weiter danach fand vor einiger Zeit im Rahmen der 47. Peira-Matinée mit Ulrich Brandenburg, dem ehemaligen Botschafter der Bundesrepublik in Russland, statt.