Der Landesvorstand der Piratenpartei und Mitglieder der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus unterstützen den Aufruf „Wählen ab 16“. Wenn Jugendliche künftig ab 16 Jahren auf Landesebene wählen könnten, wäre das für die Piraten aber nur der erste Schritt in die richtige Richtung. Wir fordern weiterhin ein Wahlrecht ohne Altersbegrenzung, weil grundlegende Bürgerrechte nicht willkürlich beschnitten werden dürfen.

Darf das Wahlrecht altersabhängig sein?

Artikel 21 der UN-Menschenrechtskonvention sieht keine Alterseinschränkungen beim Wahlrecht vor. [1] Politisches Urteilsvermögen ist für das Wahlrecht genauso irrelevant, wie z. B. für das Recht auf Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Wir finden deshalb, dass das Alter – genau wie das Geschlecht, die Hautfarbe oder ein Handicap – kein Grund dafür sein darf, jemanden per se vom allgemeinen Wahlrecht auszuschließen. Denn: In einer Demokratie ist Wählen ein fundamentales Grundrecht. Erst die Wahlergebnisse legitimieren das Regierungshandeln. Berlin verwehrt fast einem Fünftel seiner Einwohner*innen die Teilnahme an Abgeordnetenhauswahlen, weil diese jünger als 18 Jahre sind. Und das, obwohl die Politik täglich Entscheidungen trifft, die das Leben junger Menschen und deren Zukunft massiv beeinflussen.

Wahlalter 16 als erster Schritt begrüßenswert

Historisch gesehen haben sich die Einschätzungen, ab wann jemand in der Lage zum Wählen ist, immer wieder verändert. Das Mindestwahlalter wurde von ursprünglich 25 Jahren auf 21 (Weimarer Republik) und schließlich auf 18 Jahre (Bundesrepublik Deutschland ab 1970) gesenkt. Damit waren stets Zweifel am Urteilsvermögen und politischen Interesse junger Menschen verbunden. Österreich und einige deutsche Bundesländer haben inzwischen auch das Wahlrecht ab 16. Die Bertelsmann Stiftung fand heraus, dass sich seit der Wahlrechtsänderung in Österreich nun deutlich mehr Jugendliche politisch interessieren [2]. In Brandenburg nahmen die 16 und 17-Jährigen ihr Wahlrecht zudem wesentlich stärker wahr als die 18 bis 25-jährigen. [3]
Die Piraten im Abgeordnetenhaus haben sich gegen den Widerstand der Koalition für ein Wahlrecht ohne Altersbegrenzung in Berlin stark gemacht. Nach unserem Vorschlag müssen junge Menschen unter 16 Jahren ihr Interesse am Wählen gegenüber den Behörden bekunden, um eine Wahlbenachrichtigung zu erhalten. Alle Berliner*innen ab 16 würden automatisch ins Wähler*innenverzeichnis eingetragen. [4] Eine Altersgrenze von 16 Jahren für die Teilnahme an Wahlen auf Landesebene bleibt somit hinter unseren eigentlichen Forderungen zurück. Sie wäre aber ein guter erster Schritt, um jungen Menschen mehr Mitbestimmung in der Politik zu ermöglichen. Deshalb unterstützen wir den Aufruf „Wählen ab 16“. [5] Dabei begleitet uns die Hoffnung, dass unsere Gesellschaft in Zukunft für ein Wahlrecht ohne Altersbegrenzung bereit sein wird.


Demokratie will früh gelernt sein

Dass die politische Entscheidungsfähigkeit an konkrete Altersgrenzen gebunden ist, ist nicht durch Studien oder Expertisen belegt. [6] Politisches Urteilsvermögen lässt sich aber früh üben. Bereits eine Kita-Gruppe kann demokratisch über gemeinsame Angelegenheiten entscheiden. So lernen Kinder, welche Rechte und Pflichten sie als Einzelne gegenüber der Gruppe haben. Auch die Schule muss Kinder und Jugendliche mehr zu eigenständigem Denken und zur Übernahme von Verantwortung ermutigen. Dafür brauchen wir guten Politikunterricht. Weil demokratische Werte nicht nur frontal vermittelt werden können, gilt es, sie aktiv zu leben. Deshalb muss Schule selbst zu einem Lebensraum werden, der von den Schüler*innen demokratisch mitgestaltet wird. Parteien und Medien sind gefragt, jungen Menschen Politik verständlich zu vermitteln, zum Beispiel durch kindgerechte Nachrichten oder Parteiprogramme und Parlamentsdokumente in verständlicher Sprache.

Susanne Graf

Quellen:

[1] Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 217 A (III) vom 10. Dezember 1948. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf

[2] Robert Vehrkamp, Niklas Im Winkel und Laura Konzelmann (2015):
Wählen ab 16. Ein Beitrag zur nachhaltigen Steigerung der Wahlbeteiligung, Bertelsmann Stiftung: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/ZD_Studie_Waehlen_ab_16_2015.pdf

[3] Presseinformation des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg vom 13.11.2014: http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.382403.de

[4] Anträge der Piratenfraktion an das Abgeordnetenhaus für Berlin vom 18.01.2012: Wahlrecht ohne Altersbegrenzung I http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen/d17-0111.pdf und Wahlrecht ohne Altersbegrenzung II http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen/d17-0112.pdf

[5] siehe pdf-Dokument

[6] vergl. https://redmine.piratenfraktion-berlin.de/issues/764

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