Die aktuelle Krise ist eine Chance – in Menschen zu investieren und das Steuerrecht EU-weit reformieren. Stattdessen schiebt man die Schuldenlast von „oben“ nach „unten“, anstatt das gesellschaftliche Vermögen von „oben“ nach „unten“ zu verteilen – und begünstigt weiterhin Großkonzerne.
Bei der Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie hat sich die EU fast ausschließlich darauf fokussiert, Großkonzerne zu erhalten und die Liquidität auf den Finanzmärkten sicherzustellen. Das gigantische Paket zum Wiederaufbau in der Corona-Krise soll 390 Mrd. Euro an direkten Finanzhilfen sowie weitere 360 Mrd. Euro an Krediten umfassen.
Damit dieser Wiederaufbau zur Chance wird, müssen die Gelder jedoch an den Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft gekoppelt sein – besser noch wäre, den Weg zu mehr Gemeinwohl einzuschlagen. Die Rede ist aber vom Gegenteil.
Beispielsweise möchte Sebastian Kurz, der österreichische Bundeskanzler, die Pläne seiner türkis-grünen Regierung für Österreich der gesamten EU aufdrängen: Kürzungen beim Mindestlohn, beim Arbeitslosengeld, bei den Renten. Hilfen und Kredite sollen an Einsparungen bei den Sozialausgaben gekoppelt werden. Ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten besitzen, sollen den Wiederaufbau finanzieren. So wird nicht in Menschen investiert, sondern in Renditen, Dividenden und Vermögenswerte. Dabei haben die bisherigen Schritte schon genügend zur Inflation der Vermögenswerte beigetragen, wie ein Blick auf die Börsenkurse zeigt.
Die großen Digitalkonzerne profitieren. Im Vergleich zum Vorjahresquartal ist im ersten Quartal 2020 der Umsatz von Amazon um rund 26 Prozent von rund 59,7 Milliarden US-Dollar auf 75,45 Milliarden US-Dollar gestiegen. Der Jahresumsatz könnte so 300 Mrd. US-Dollar betragen. Also eine drittel Billion Dollar Umsatz im Jahr nur bei Amazon. Steuern werden auf die erzielten Gewinne kaum gezahlt und am allerwenigsten in Europa.
Apple muss nun doch keine Steuernachzahlung leisten: Im Streit um eine Rekord-Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro für Apple in Irland hat die EU-Kommission eine Schlappe erlitten. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat die milliardenschwere Forderung der EU-Kommission im Streit mit dem US-Technologiekonzern um Steuervergünstigungen in Irland für nichtig erklärt. Die EU-Kommission habe keine Grundlage dafür nennen können, dass die vom irischen Staat gewährten Steuervergünstigungen für den US-Computerriesen ein unangemessener Vorteil nach dem EU-Wettbewerbsrecht seien, entschied das Gericht.
So lange die Diskussion nur darum geht, ob die von Einzelstaaten gewährten Steuervergünstigungen Vorteile für die Digitalriesen sind, ist Europa auf dem Holzweg. Profit an der Gesellschaft muss viel selbstverständlicher zu einer Verantwortung, auch und besonders in der Krise führen. Steuerschlupflöcher und Steuerparadiese in Europa sind zu schließen.
Denn Steuern müssen dort gezahlt werden, wo die Umsätze stattfinden und die Infrastruktur genutzt wird. Neue Steuermodelle müssen sicherstellen, dass Gewinne, die innerhalb der Corona-Zeit durch die stärkere Nutzung digitaler Werkzeuge erwirtschaftet wurden, auch angemessen versteuert werden.
Eine europäische Digitalsteuer, die gerade auch am Widerstand Irlands gescheitert ist, muss sobald wie möglich kommen. Ebenso muss jetzt endgültig eine FInanztransaktionssteuer beschlossen werden; es geht nicht an, dass, oft im Sekundentakt, die Börse manipuliert wird, Scheinumsätze ‚Gewinne‘ vortäuschen, ohne dabei tatsächlich Werte zu schaffen. Das würde eben durch die FInanztransaktionssteuer deutlich gehemmt.
Steuergesetze müssen so gestaltet werden, dass sie keine Ausweichmöglichkeiten („Steuerschlupflöcher“) bieten. Stattdessen hat der aktuelle Gesetzesentwurf von Olaf Scholz die Cum-Ex Geschäfte der letzten 10 Jahre nachträglich legitimiert. Bereitwillig verzichtet Deutschland auf Dutzende von Milliarden Euro, was genug gewesen wäre, um den deutschen Anteil am europäischen Wiederaufbau zu finanzieren. Aber man verzichtet darauf – und bürdet diese Last denen auf, die ohnehin wenig haben.
Nicht verwunderlich, denn damit würde Olaf Scholz ja auch sein eigenes Verhalten rückwirkend legitimieren, hat er doch vermutlich selbst Rückzahlungsansprüche auf Cum-Ex Gelder verjähren lassen und damit die Hamburger Privatbank Warburg geschont, die alleine mit einem dreistelligen Millionenbetrag in den Cum-Ex Skandal verwickelt ist.
Die Schere im Wohlstand Deutschlands geht durch das aktuelle Wiederaufbauprogramm noch weiter auf. Die aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt, dass die soziale Ungleichheit noch viel größer ist als gedacht. 1% der Bevölkerung haben 35% des Vermögens. Politik wird auch ganz überwiegend von diesem einen Prozent gemacht. Der Trend ist ungebremst. Ein Blick in andere Länder oder ins Geschichtsbuch lehrt, dass dies dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, der Demokratie, dem sozialen Frieden, kurzum dem Wohl aller schadet.