Ein Gastbeitrag von Dr. Angelika Brinkmann

Am 7. Oktober 2023 wurde das israelische Grenzgebiet zum Gazastreifen Ziel eines terroristischen Überfalls, dessen Ausmaß an Gewalt und Brutalität in Israels Geschichte beispiellos war. Etwa 2500 bewaffnete palästinensische Terroristen stürmten israelische Militärbasen und fast dreißig Gemeinden. Sie richteten ein verheerendes Blutbad an, bei dem mehr als 1200 Israelis getötet und hunderte entführt wurden.

Die Invasoren konnten den Hightech-Grenzzaun, der in Israels militärischen und politischen Führungskreisen als unüberwindbar galt, an zahlreichen Stellen überwinden. Israel sieht sich mit dem Rücken zur Wand; seit einem Jahr führt dies zu heftigen Reaktionen.

Diesem Anschlag musste Israel eine militärische Antwort entgegensetzen. Der Krieg der seit dem 7. Oktober 2013 am Brodeln war, ist aber erst ein Jahr später offen ausgebrochen.

Die Explosion von Pagern und anderen Geräten in den Händen der Hisbollah im Libanon hat den Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarn verschärft. Der Pager Angriff stellt eine neue Stufe der Gewalt dar. Diese neue Eskalationsstufe wird vermutlich (leider) Schule machen. Dieser Angriff ist auf das Schärfste zu verurteilen; hier wäre ein Wort des Kanzlers und der Außenministerin angebracht gewesen, z.B. wie die uneingeschränkte Solidarität mit Israel unter dieser Entwicklung betrachtet wird? Der Angriff ist nicht nur ein Angriff auf westliche Werte, die Achtung von Menschenwürde wird unglaubwürdig.

Gaza und die Hamas
Die Vernichtung der Hamas als Alleinherrscher im Gazastreifen ist aber bereits seit 2007 hauptsächliches Ziel Israels. Mäßigung ist die Sache des Ministerpräsidenten Netanjahu nicht. In seiner langen Amtszeit rückte die israelische Parteienlandschaft immer mehr weiter nach rechts. [1]
Seit Mai versuchen die U.S.A., Ägypten und Katar mit großer Dringlichkeit Gespräche über einen Waffenstillstand/Feuerpause und Geiselaustausch zwischen der Hamas und Israel zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Im Oktober 2024 scheint die israelische Armee ihrem erklärten Ziel einer Vernichtung der Hamas, ihres militärischen Arms und ihrer Herrschaftsstrukturen nur unwesentlich nähergekommen zu sein.
Seitdem hat die Hamas, aber auch vor allem Ägypten immer wieder betont, dass an dem ursprünglichen Vorschlag vom Mai festzuhalten ist; der sieht keine israelischen Truppen im sogenannten Philadelphia Korridor zwischen Ägypten und Gaza vor, was Israel ablehnt. Es möchte dort weiterhin Truppen stationiert haben, um möglichen Waffenschmuggel zu unterbinden. Dies widerspricht auch einem Abkommen zwischen Israel und Ägypten.
Für den Gazastreifen kann es aber eine angemessene politische Lösung nur geben, wenn die Palästinenser, möglichst mit internationaler Unterstützung, selbst über ihre Zukunft entscheiden.

Der Nahost-Konflikt ist zu gefährlich, als dass man die Kriegführenden sich selbst überlassen dürfte. Was soll aus Gaza werden, dann, wenn die Hamas zerschlagen worden ist? Es ist auf jeden Fall eine positive Zukunftsperspektive erforderlich. Für die Menschen, die dort etwas Neues schaffen wollen, ohne die Hamas. Es gilt aber auch zu bedenken: Wie kann der Iran mit der Hisbollah eingebunden werden, soll er das oder muss er das nicht vielmehr? Betroffenheit reicht nicht. Wie will Katar mit den Moslembrüdern und der Hamas weiter umgehen? Der Dialog kann gar nicht offen und breit genug sein, um nicht zu sagen, ohne Vorbedingungen. Die Abraham-Abkommen sind ein Beispiel, wie es laufen kann.
Die perfekte Lösung wird es nicht geben. Israel musste antworten, aber das Verschweigen des Leids der Palästinenser wäre verkehrt. Das Leid der Palästinenser ist diesen nicht vorzuwerfen; wer als Schutzschild missbraucht wird, bleibt Zivilist. Wer an der Flucht gehindert wird, trägt keine Schuld an seinem Schicksal.

Fazit
Seit einem Jahr ist Krieg in Gaza, ohne dass erkennbar ist, wie und ob es enden wird. Das Ansehen Israels ist mittlerweile stark beschädigt. Israel kommt auch an die eigene innere Belastbarkeit, die Bodenoffensive gegen die Hisbollah im Libanon wird dies verstärken. Diese Eskalation macht Israel aber nicht sicherer, es werden nur weitere Todesopfer produziert, auf beiden Seiten.
Eine diplomatische Lösung scheint nicht in Sicht; stattdessen will die rechtsextreme Regierung Israels die Sicherheit mit militärischen Mitteln erreichen. Zu einem Friedensprozess gehört aber auch dazu, dass die arabischen Staaten sich mit dem Iran austauschen. Es gibt keinen Grund, auf konstruktives Verhalten gegenüber Iran zu verzichten, wenn die westliche Haltung sehr uneinheitlich ist.

Trotzdem muss nach diplomatischen Lösungen gesucht werden auch unter Einbeziehung des Iran. Hauptkonflikt ist nach wie vor der Krieg in Gaza. Hier gibt es noch große Hürden zu überwinden bevor es zu einem Waffenstillstand kommen kann; da ist zum einen die sofortige Freilassung der Geiseln. Aber auch wie der Übergang nach Rafah geregelt werden soll, sowie der Philadelphia Korridor, ein schmaler Landstreifen zwischen Ägypten und Gaza. Es ist aber davon auszugehen, dass mit dem rechten politischen Druck diese Hürden genommen werden können.

Letztlich bedarf es eines großen mutigen Abkommens zwischen Israel und den arabischen Staaten, welches auch die Etablierung/Gründung eines palästinensischen Staates einschließt. Es gibt keinen Ausweg aus der Krise ohne die Erkenntnis, dass Israel und die Palästinenser ein Recht auf Sicherheit, Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Hoffnung auf ein Land welches sie ihr eigenes nennen können haben. Dies bedeutet, dass auf beiden Seiten eines Verhandlungstisches Partner Unterstützung bieten müssen, um zu verhindern, dass die Hardliner unter der Hamas, Hisbollah und Israel eine Zwei-Staaten-Lösung dauerhaft verhindern.

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[1] Saul Friedländer, ein Holocaust Überlebender hat sicherlich eine der schärfsten Kritiken der gegenwärtigen israelischen Regierung geschrieben, es endet im Juli 2023

Saul Friedländer: Blick in den Abgrund. Ein israelisches Tagebuch. 2023

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