Ein Gastbeitrag von Sandra Leurs, Kommunalpolitikerin in Krefeld und Fachfrau für Pflege
In dem sehr bemerkenswerten Film „Soylent Green…die 2022 überleben wollen“ wird das Problem mit alten Menschen auf sehr radikale Weise gelöst: Sie werden zu schmackhaften Keksen verarbeitet! Das ist aber ein Film und sollte kein Vorbild zur Lösung des sich gravierend verschärfenden Pflegenotstandes sein.
Immer noch: Das Ausbildungsproblem und der Fachkräftemangel
Das Ausbildungsniveau wird mit dem neuen Ausbildungsgesetz in der Altenpflege sinken. Dieser Beruf wird zum Helferberuf degradiert, damit die Arbeitskräfte mit kleinem Lohn abgespeist werden können und die privaten Arbeitgeber in der Altenpflege mächtige Gewinne an die Aktionäre ausschütten können.
Auch die Fachkraftquote soll gesenkt werden – das bedeutet, dass die Anzahl der zu Pflegenden pro Fachkraft steigt. Dies geht zu Lasten der Qualität und vor allem zu Lasten der Menschen.
Pflegeindustrie, Lobbyismus und der demographische Wandel
Wir leben in einer kalten Welt, in der die alten und hochbetagten mehrfach erkrankten Menschen ohne ein Fünkchen Menschenwürde die letzte Zeit ihres Lebens verbringen müssen.
Ich bin außerordenllich enttäuscht von der etablierten Politik, leider auch von Andreas Westerfellhaus, dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung. Ich hatte große Hoffnung in ihn gesetzt. Das Gespräch mit ihm in Berlin auf dem Deutschen Pflegetag war sehr positiv.
Nun aber vermisse ich sein Statement zu den Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums bzw. des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn. Dieser scheint inzwischen stark von der Lobby der Pflegeheimbetreiber, deren wirtschaftliche Interessen überwiegen, beeinflusst zu sein. Auch hier zeigt sich: Wir werden nicht von der Politik regiert, sondern von der Wirtschaft. Pharmaindustrie und eine sich immer weiter ausbreitende Pflegeindustrie fahren millionenschwere Gewinne ein. Jedoch die Pflegekraft in einer Senioreneinrichtung braucht unter Umständen noch einen zweiten Job, um ihre Familie gut zu versorgen.
Rainer Brüderle (FDP), heute Aufsichtsratsmitglied des BPA, setzt dem ganzen noch die Krone auf. Er will noch mehr Ausbeutung und Versklavung. Vielleicht ein bisschen mehr Urlaub, aber kein Weihnachtsgeld bzw. Urlaubsgeld für Pflegekräfte. Und schon gar keinen flächendeckenden Tarifvertrag. Hier macht sich bemerkbar, dass Pflegekräfte oft nicht gewerkschaftlich organisiert sind.
2022 steht vor der Tür
Ich kämpfe seit 2012 für bessere Bedingungen, Akademisierung und Generalistik in der Pflege; ebenso für einen wissenschaftlich fundierten Personalschlüssel sowie eine bessere Bezahlung von Menschen, die in der Altenpflege arbeiten.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass dieser Kampf so lange andauern würde. Es geht um Menschen, die in diesem System ausgenutzt und ausgebeutet werden. Das muss ein Ende haben.
50.000 zusätzliche Pflegekräfte werden dringend benötigt. Eine Anwerbung in Osteuropa kann jedoch nur eine sehr kleine Ergänzung sein, um den gravierenden Mangel in der Altenpflege zu lösen. Die Ausbildung dort mag gut sein, aber haben die so Ausgebildeten auch gute Deutschkenntnisse? Gerade in Berufen, die so direkt am Menschen sind, sind gute Sprachkenntnisse unerlässlich, denn tröstende Worte helfen Leid im Alltag zu ertragen.
Die PIRATEN haben folgende Vorschläge, wie eine Rückkehr von der Abkehr des Berufs bewirkt werden kann:
reduzierte Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich
verlässliche Dienstpläne
Abschaffung von Pflegepersonalplänen
unbefristete Arbeitsverträge
Umsetzung der Generalistik laut Pflegestärkungsgesetz
Gleiche Bezahlung bundesweit
Vernachlässigt nicht die Alten, denn ihr werdet die nächsten Alten sein!