Veranstaltung
Am heutigen Mittwoch, den 21. Mai 2014, findet um 18.30 Uhr im Nachbarschaftshaus Orangerie (Raum Grüner Kaktus), Schulze-Boysen-Straße 38 in Berlin-Lichtenberg eine weitere Veranstaltung im Rahmen des Wahlkampfes zur Europawahl statt.
Das führende Thema wird die Energiepolitik sein.
Hierzu kommen zwei Menschen zusammen, die die europäische Energiepolitik gut kennen.
Guido Körber (PIRATEN Brandenburg) und Name auf eigenen Wunsch Anfang 2020 gelöscht (PIRATEN Berlin) diskutieren über ihre beruflichen Erfahrungen, ihre Wünsche an Europa und die Bedeutung für Lichtenberg. Die Diskussion wird von den Lichtenberger Piraten veranstaltet und geleitet.

Beitrag der Arbeitsgruppe Energiepolitik
im folgenden ein Gastbeitrag zum Thema. Geschrieben von Dr. Michael Berndt und Thomas Blechschmidt, Koordinatoren der AG
Energiepolitik der Arbeitsgruppe Energiepolitik der Piratenpartei.
 

Piraten zerstören Mythos der „teuren Energiewende“

Schon seit Jahren will die Bundesregierung den Bürgern einreden, die
Energiewende sei teuer – Umweltminister Altmaier sprach sogar einmal
von 1 Billion €. Und die fossile Energiewirtschaft droht permanent mit
dem Verlust von Arbeitsplätzen. Doch das Gegenteil ist der Fall!
Erneuerbare Energien ersparen unserer Gesellschaft erhebliche Kosten
und schaffen zusätzliche Arbeitsplätze – und zwar schon jetzt, sofort!

Kosteneinsparung und hunderttausende zusätzlicher Arbeitsplätze
Durch den Zubau an Anlagen der Erneuerbaren Energien sind die letzte
EEG-Umlage um 0,15 Cent pro Kilowattstunde (kWh) [1] und das
Netzentgelt durch den Ausbau der Stromnetze um ca. 0,9 ct/kWh
gestiegen [2]. Die Umweltkosten dieser Stromerzeugung betragen
durchschnittlich 1,7 ct/kWh [3]. Dagegen verursacht eine
Kilowattstunde aus den fossilen Energieträgern Braunkohle, Steinkohle
oder Erdgas Umweltkosten von durchschnittlich 9,0 ct/kWh [3] und
verbraucht Brennstoffe im Wert von durchschnittlich 2,6 ct/kWh [4].

Zusätzlich werden hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland in
einer Zukunftsbranche geschaffen: Allein die Umstellung der
Stromerzeugung von Braunkohle auf eine Stromerzeugung mit Erneuerbaren
Energien würde schätzungsweise 150.000 mehr Arbeitsplätze schaffen als
in der Braunkohlewirtschaft verloren gingen [5].

Aber  anstatt mit diesem Wachstums- und Kostensenkungsmotor
durchzustarten, tritt die Bundesregierung mit ihrer sogenannten
EEG-Reform auf die Bremse.

Über Deutschland lacht die Sonne.
Viele, viele Dächer, Parkplätze und Infrastrukturen bieten Platz,
deshalb ist die Photovoltaik der zentrale Baustein auf dem Weg zur
Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien. In einer Studie hält das
Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES,
2012) fest: Je nach Wirkungsgrad der Module ist in Deutschland die
Installation von bis zu 570 Gigawatt (GW) auf Dach- und Freiflächen
möglich [6]. Das wäre mehr als das 15-fache der aktuell installierten
Leistung und bringt 75 % an der heutigen Stromerzeugung.
Stromerzeugungs- und Umweltkosten der Photovoltaik betragen insgesamt
nur ca. 10 ct/kWh gegenüber ca. 16 ct/kWh der Kohle-Stromerzeugung.
Warum also werden im neuen Gesetz ein jährlicher Ausbau-Zielkorridor,
eine Vergütung mit der sich keine Freiflächenanlage mehr finanzieren
lässt, eine permanente Degression der Vergütungssätze für Dachanlagen
und eine EEG-Vergütung nur bis zu einem Gesamtausbau von 52 GW
festgeschrieben [7]?

Ein frischer Wind weht durchs Land
Die kostengünstigste erneuerbare Stromerzeugung ist diejenige mit
Windenergieanlagen an Land. Ihr Anteil betrug in Deutschland 2013
bereits ca. 8% [8]. Der Anteil lässt sich noch verdoppeln – auch unter
Berücksichtigung der Anwohner und Umweltbelange! Auch in
Mittelwindlagen ist die Stromerzeugung noch wesentlich kostengünstiger
als mit konventionellen Energieträgern. Es ist also
volkswirtschaftlich unsinnig, den Ausbau auf Norddeutschland zu
begrenzen. Mit ihrem aktuellen Entwurf gefährdet die Bundesregierung
aber auch die weitere Beteiligung der Bürger an neuen Windparks. Mit
dem vorgesehenen Vergütungsmodell wird z.B. für Bürgergenossenschaften
eine Fremdfinanzierung bei steigenden Zinssätzen kaum noch möglich
sein [9]. Warum werden zukünftige Vergütungen nicht um eine an die
Kapitalmarktzinsen gekoppelte ergänzende Vergütung erweitert?

Offshore Windparks widersprechen der Forderung der Piratenpartei nach
einer dezentralen Energieversorgung und sind mit Kosten von z. Zt. ca.
19 Cent pro Kilowattstunde auch die teuerste Form der Stromerzeugung.
Mit ihrem neuen Gesetzesentwurf zum EEG begrenzt die Bundesregierung
den Ausbau der Stromerzeugung in der Nord- und Ostsee auf eine
installierte Leistung 15 Gigawatt bis zum Jahr 2030 [7]. Das
entspricht einem Anteil von ca. 11% der heutigen Stromerzeugung in
Deutschland. Angesichts des schlechten Preis-Leistungs-Verhältnisses
brauchen wir aber eine politische Diskussion, wie stark die
Stromerzeugung auf See darüber hinaus in Zukunft weiter ausgebaut
werden soll.

Biomasse – eine lokale Ergänzung
Die Stromerzeugung mit Biomasse hatte 2013 einen Anteil von 7% [8] und
ist mit Erzeugungskosten von 12-18 Cent und zusätzlichen Umweltkosten
von durchschnittlich fast 4 Cent pro  Kilowattstunde [10] nicht
kostengünstig. Auch aufgrund der Flächenkonkurrenz zur klassischen
landwirtschaftliche Nutzung lässt sich dieser Anteil kaum mehr
steigern. Für eine lokale Energieversorgung bleibt aber diese Form der
Strom- und Wärmeerzeugung, insbesondere unter Nutzung von biologischen
Abfallstoffen, ein sinnvoller Beitrag im Rahmen der Energiewende. Der
hauptsächliche Einsatz von Biogas könnte dabei zukünftig in seiner
direkten Vermarktung als Gas liegen.

Speichern und Sparen
Der weitere Ausbau der Stromerzeugung mit Anlagen der erneuerbaren
Energien muss begleitet werden vom weiteren Aufbau von
Speicherkapazitäten. Dabei sind vom Stromspeicher für Privathaushalte
bis hin zu großen Leistungsanforderungen Speichertechnologien
entwickelt worden und werden auch zum Teil schon erfolgreich
eingesetzt [siehe z.B. 11, 12, 13, 14, 15]. Damit diese noch stärker
die Umstellung auf erneuerbaren Strom unterstützen, setzt sich die
Piratenpartei für ein Energiespeicherfördergesetz ein [16].

Schon vor 1 1/2 Jahren hatte der damalige Umweltminister Peter
Altmaier das Energieeinsparpotential von Industrieunternehmen mit 30%
geschätzt [17], doch hat er dieser Feststellung keine politischen
Taten folgen lassen. Und auch der Vorsitzende der Geschäftsführung des
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie sprach von
teilweiser „grandioser Energievergeudung“ [18]. Bis heute gibt es
keine verbindlichen Vorschriften zur Energieeffizienzsteigerung für
Unternehmen. Warum?

Neben dem nach wie vor großen  Energieeinsparpotential bei
Industrieunternehmen wird noch viel zu wenig bedacht, welche großen
Mengen an Energie unsere Gesellschaft durch ein anderes
Konsumbewusstsein einsparen könnte. Die von Herstellern bewusste
Begrenzung der Funktionstüchtigkeit industrieller Produkte – die
sogenannte „geplante Obsoleszenz“ [19] – ist in einer Welt, die weit
über ihre Rohstoffverhältnisse lebt, inakzeptabel und eine gigantische
Energieverschwendung. Güter und Herstellungsverfahren nach dem „cradle
to cradle“-Prinzip [20,21], bei dem ein Produkt so konzipiert und
hergestellt wird, dass seine Einzelteile in hohem Maße direkt wieder
verwendbar sind, müssen gefördert werden. Eine durch
Reparaturmaßnahmen verlängerte Funktionszeit von technischen Geräten –
zum Beispiel in „Repair-Cafes“ oder durch ähnliche Initiativen – spart
Rohstoffe und Energie ein und verringert Transportkapazitäten und
-wege. Auch die regionale Vermarktung von Produkten hilft in diesem
Sinne.

Am Ziel
Der Verbrauch endlicher fossilen und nuklearer Energieträger ist nicht
nur mit erheblichen gesellschaftlichen Belastungen und Risiken
verbunden, sondern auch eine volkswirtschaftliche Bürde. So betrugen
im Jahr 2012 die Importkosten für fossile Brennstoffe 100 Mrd. € [22].
Allein mit dem Einsparen dieser Kosten im Rahmen der Energiewende
ließen sich ca. 1,8 Millionen sehr gut bezahlter neuer Arbeitsplätze
finanzieren. In der gleichen Größenordnung liegen auch die
Umweltkosten durch den Verbrauch dieser Energieträger [23]. Rechnet
man noch ca. 28 Mrd. € p.a an Subventionen, Steuererleichterungen und
Zinszahlungen für die Strom- und Wärmeerzeugung mit fossilen
Energieträgern hinzu [24], so erspart der Verzicht auf diese
Energieträger der deutschen Volkswirtschaft auf heutiger Basis
gerechnet ca. 230 Mrd. € pro Jahr nach einer vollzogenen Energiewende.
Zum Vergleich: Im Jahr 2012 betrugen die Gesamtausgaben der
gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland 255 Mrd. € [25].

Die Energiewende ist für unsere Gesellschaft der Weg in die Zukunft!


 

Quellen:

[1] [win]
http://www.wind-energie.de/system/files/attachments/article/2014/energiewen[..]

[2] http://www.ewe.de/privatkunden/service/preisanpassung.php

[3] berechnet aus:
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen[..]
und
http://www.ag-energiebilanzen.de/index.php?article_id=29&fileName=20131220_[..]

[4] berechnet aus:

http://www.erneuerbare-energien.de/fileadmin/Daten_EE/Dokumente__PDFs_/ee_i[..] , Seite
28
und
http://www.ag-energiebilanzen.de/index.php?article_id=29&fileName=20131220_[..]

[5] eigene Abschätzung aus:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit,
Faltblatt: Erneuerbar beschäftigt!  Stand: Aug. 2013
Bundesverband Braunkohle:“10 Braunkohle als Wirtschaftsfaktor“
http://www.braunkohle.de/pages/layout3sp.php?page=580
und
http://www.ag-energiebilanzen.de/index.php?article_id=29&fileName=20131220_[..]

[6]
http://www.solarwirtschaft.de/fileadmin/media/pdf/IWES_Netzintegration_lang[..]

[7] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/013/1801304.pdf

[8]
http://www.ag-energiebilanzen.de/index.php?article_id=29&fileName=20131220_[..]

[9]
http://www.kommunal-erneuerbar.de/fileadmin/content/PDF/Aurich/Politische_R[..]

[10]
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen[..]

[11]
http://mossau-energy.de/fileadmin/bilder/forschung/bluehamsterdeutsch2.pdf

[12]
https://www.muenchen.ihk.de/de/innovation/Anhaenge/02_zae_redoxflussbatteri[..]

[13]
http://www.greenpeace-energy.de/presse/artikel/article/erster-spatenstich-f[..]

[14] http://www.powertogas.info/partner/ewe

[15]
http://www.rwe.com/web/cms/de/365478/rwe/innovation/projekte-technologien/e[..]

[16]http://wiki.piratenpartei.de/Wahlen/Bund/2013/Wahlprogramm#Energiespeicherf[..]

[17] Interview, ARD „Bericht aus Berlin“ am 14.10.2012

[18]http://www.elektrofachkraft.de/fachwissen/fachnews/modernisierung-macht-sic[..]

[19] http://www.heise.de/ct/artikel/Verstecktes-Verfallsdatum-1626511.html

[20] http://www.zeit.de/2009/47/T-Cradle-to-Cradle

[21] https://cradle-to-cradle.org/

[22]
http://www.peak-oil.com/2013/05/deutschland-2012-fossil-importe-kosten-100-[..]

[23] eigene Berechnungen aus:
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/energiestatistiken-energiegewinnung[..]
und
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen[..]

[24] http://www.foes.de/pdf/2012-08-Was_Strom_wirklich_kostet_lang.pdf
, Seite 14 und eigene Berechnungen der Zinslast

[25]
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politik[..]

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