Am vergangenen Wochenende traf sich die Piratenpartei zu einer zweitägigen Konferenz, der PiratinnenKon. Bei der zweitägigen innerparteilichen Veranstaltung in Berlin wurde sowohl die Genderthematik als auch die innerparteiliche Kommunikationsstruktur diskutiert. Ziel war es unter anderem, einen gemeinsamen Weg zur Stärkung aller Pirat*innen zu definieren und miteinander Möglichkeiten für ein Mehr an gegenseitigem Verständnis zu schaffen.

Miriam Seyffarth, Berliner Listenkandidatin für die Bundestagswahl, fasst die beiden Tage wie folgt zusammen:

Auf der PiratinnenKon wurden viele Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Geschichten zusammengebracht, gemeinsam haben sie mithilfe eines neuen experimentierfreudigen Konferenzkonzeptes über vielfältige Themen diskutiert, Verständnis für einander aufgebracht und untereinander Brücken gebaut.

Die Ergebnisse und konkreten Empfehlungen der PiratinnenKon für einen respektvolleren und achtsameren Umgang miteinander sind somit nicht nur für Genderthemen relevant, sondern für den gesamten innerparteilichen Konsolidierungsprozess.

Andreas Pittrich, Kandidat der Berliner Landesliste, ergänzt:

Wir haben in einer tollen Atmosphäre sehr konkrete Ergebnisse erarbeitet. Ich freue mich, dass in den nächsten Wochen die Stelle einer beziehungsweise eines Anti-Diskriminierungsbeauftragten der Partei ausgeschrieben werden wird.
Außerdem haben wir Anlaufstellen reaktiviert, die bei Streit helfen können. Weitere Maßnahmen sind geplant. Mit der Umsetzung wurde teilweise schon auf der Konferenz begonnen.

Zum Ende der Konferenz wurden gemeinsam verschiedenen Kommunikations- und Verhaltensregeln erarbeitet, aber auch Schutzmechanismen ausgelotet. Es soll ein Team gefunden werden, das bundesweit für Veranstaltungen bereitsteht, um im Falle von bewusster oder unbewusster Diskriminierung reagieren zu können. Der Kongress sprach sich außerdem dafür aus, eine Entschuldigungskultur zu etablieren und sich zukünftig um barrierefreie und inkludierende Sprache zu bemühen.

Diskriminierende Strukturen sind ein gesamtgesellschaftliches Problem“, so die Berliner Spitzenkandidatin Cornelia Otto, „nicht eines, das in Teilen nur die Piratenpartei betrifft. „Die Piratenpartei will sich dieses Problems annehmen. Die PiratinnenKon ist für mich ein Schritt dahin. Die Ergebnisse der beiden Tage sind beeindruckend: Statt über Quote und Feminismus zu diskutieren, wurden gemeinsam strukturelle Schwachstellen identifiziert und konkrete Handlungsvorschläge gegeben. Ein Fazit ist, den „leisen“ Menschen muss unabhängig vom Geschlecht mehr respektvoller Raum gegeben werden.

Pressekonferenz

  • Am Sonntag waren acht unserer erst- und zweitplatzierten Bundestagslisten-Kandidatinnen bei der #PiratinnenKon Pressekonferenz. Das KraehennestNRW hat diesen Mitschnitt produziert. Vielen Dank dafür!  Video der Pressekonferenz

 

Mitschrift der Ergebnisse der PiratinnenKon
von Miriam Seyffarth

  • Kommunikations- und Verhaltensregeln: Moderation von ML, Crewtreffen etc. -> deeskalierend, respektvoll, wertschätzend, solidarisch, sich gegenseitig bestärken, ermutigen, positives Feedback geben, positive Verhaltensweisen vorleben, sich unterstützen, permanente Weiterbildung und politische Bildung anbieten, das Wissen und die Erfahrungen der Kon müssen weitergetragen und verbreitet werden, Entschuldigungskultur etablieren, sich um barrierefreie und inkludierende Sprache bemühen.
  • Verhaltensempfehlungen (z.B. für Twitter und Mumble): um die Innen- und Außenwirkung zu verbessern, Konflikte versachlichen, Zivilcourage fördern, füreinander eintreten, friedliche Kommunikation propagieren, evtl. Solidarbändchen für friedliche Kommunikation, achtsame Kommunikation, Strukturen schaffen, die das Beste in den Menschen hervorbringen, Bewusstsein für Öffentlichkeitswirkung entwickeln (bei Gemecker und Getrolle auf Twitter oder im Mumble), bei Konflikten das persönliche Gespräch suchen.
  • Awareness bei Gender: männlich-dominantes Verhalten nicht mehr als Norm wiederholen, Empathie füreinander fördern (zwischen denen, die sich nicht mit dem Genderthema auseinandersetzen wollen und denen, für die dies eine große Rolle spielt oder die sich diskriminiert fühlen), Gräben zwischen den Menschen beim Thema „postgender“ schließen, bundesweites Awareness-Team einrichten, um u.a. Spannungen zwischen diesen beiden Gruppen zu lösen, damit die Diskussionen nicht immer wieder von vorne anfangen müssen, jede*r sollte bei sich selbst anfangen (Privilegien und Schubladendenken zu hinterfragen).
  • Wie kommunizieren wir anziehend für Frauen nach außen? – Terminfestlegungen mit Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse verschiedener Gruppen, bestimmte Themen nicht bestimmten Geschlechtern zuordnen, wie fördern wir Menschen mit weiblich sozialisierten Kompetenzen? Kooperation mit der Website piratinnen.de vorantreiben, neue Website liquidgender.de
  • Wie können wir Betroffene besser schützen? – Es gibt schon etliche Hilfestrukturen aber z.B. noch keine für Rassismus, oft stehen hinter den Hilfegruppen dieselben Leute (es besteht die Gefahr eines Burnouts), die Supportstrukturen müssen allen bekannt sein -> Einrichtung einer zentralen Wikiseite, Anlaufstellen schaffen, Schaffung zentraler Ombuds- oder Diskriminierungsbeauftragter, How-To-Hilfe-Carepaket für alle Pirat*innen (was kann ich machen, wenn ich Probleme habe?), zentrales Hilfe- und Krisentelefon, Reaktivierung eingeschlafener Strukturen (z.B. @SGShitstorm), buchbares Awareness-Team für Parteitage und andere Pirat*innenveranstaltungen, in den nächsten 8 Wochen nach der Piratinnenko wird es eine Ausschreibung vom Bundesvorstand für eine*n bundesweiten Diskriminierungsbeauftragte*n geben.
  • Vernetzung der Teilnehmer*innen der Kon untereinander und wer von diesen zur Verfügung steht, um z.B. über die Kon zu berichten, das Wissen und die Erfahrungen der kon müssen weitergetragen und verbreitet und von den positiven Erlebnissen auf der Kon berichtet werden.
  • Die Ergebnisse der Piratinnenkon und die gebauten Brücken zwischen den Mitgliedern sind nicht nur für Genderthemen relevant, sondern für den gesamten innerparteilichen Konsolidierungsprozess.

Autoren und zweites Paar Augen: Konstanze Dobberke, Björn Glienke, Miriam Seyffarth, Maria Rosenau

6 Kommentare

  1. 1

    Ihr habt das wunderbar zusammengefasst, danke

    Was ich vielleicht vergessen, bzw. aus Zeitgründen nicht geschafft habe in meiner Hosting Zusammenfassung auf der Kon zu erwähnen, ist die Tatsache, dass die Verhaltensempfehlungen, die eine deeskalierende und friedliche Kommunikation ermöglichen, auf keinen Fall die Debatte und die Vielfalt an Ideen einschränken, sondern ihnen im Gegenteil mehr Raum geben, so wird weiterhin eine spannende und auch emotionale Debattenkultur ermöglicht, die den Blick über den eigenen Tellerrand eröffnet, dies aber in wertschätzender und respektvoller Form, die durch das Vorleben innerhalb der Partei sicherlich immens viel Außenwirkung zeigen kann.

  2. 2

    sorry, was unterscheidet das von SPD-Kreisgrüppchen?
    30% der „Host“s waren sooo übergriffig, daß kein „GroupThink“ zustande kam – sondern nur (unbewußte) Veranstalter-„MehrheitsMeinungen“.
    Letztlich nette Absichten, statt nützliche Aktionen, wie zB STIMMTRAINING für BTW/…Kandidatinnen/.. – wogegen in PK die Rückkopplung nicht human-hörend sondern macker-maschinell war.
    Also – ZEITNAH ZUHÖREN (..lernen & lehren) ! <3

  3. 3
    Michael Baleanu

    „eine Entschuldigungskultur zu etablieren und sich zukünftig um barrierefreie und inkludierende Sprache zu bemühen“
    Die Piraten sind mit dem Anspruch angetreten, Demokratie vorzuleben. Die Vorgänge während und nach der PiratinnenKon haben aber gezeigt: Ihr seid von Nichtdemokraten geentert worden!
    https://www.youtube.com/watch?v=jmnhE_ZwiAQ

  4. 4

    Wenn ihr mir erlaubt möchte ich dazu mal eine Außenwahrnehmung hinzufügen. Ich bin über Twitter über den Kon gestolpert und habe ihn etwas mitverfolgt. Leider muss ich aber sagen, dass mir als Wählerin das Ganze eher verfehlt vorkommt. Meine derzeitige Wahrnehmung der Piraten ist, dass die Partei von internem Mobbing geprägt und zerstritten ist. Genderprobleme kann ich zumindest in der Außenansicht keine erkennen.

    An sich ist es eine gute Sache, höfliche Umgangsformen zu pflegen. Aber man kann es auch übertreiben. Ich bin durchaus in der Lage, das generische Maskulinum als das anzuerkennen, was es ist – ein sprachliches Konstrukt ohne tiefere Aussage bezüglich des Geschlechts, und bin vom ständigen Zwang alles doppelt oder mit zwei Endungen zu schreiben eigentlich eher genervt.

    Die Hilfsangebote, welche ihr plant sind prinzipiell begrüßenswert, aber ich hoffe, dass sie dann auch allen offen stehen, sowohl Frauen als auch zum Beispiel Männern, welche fälschlicherweise eines Übergriffes beschuldigt, oder ansonsten gemobbt werden.

    Weiterhin hoffe ich, dass das von euch postulierte gegenseitige Verständnis so gegenseitig ist, dass ihr es akzeptieren könnt, wenn jemand eben nicht genderneutral schreiben möchte, sondern sich stattdessen lieber an den aktuell gültigen Rechtschreibregeln orientiert.

    Zu guter letzt noch eine Bitte. Ich fand die Piraten mal eine Zeit lang gut, und habe sie auch gewählt. Im Augenblick werde ich das nicht mehr tun. Ich finde den Grundgedanken der Piraten nach wie vor gut, aber glaube ihr solltet euch erstmal auf das Vorwärts kommen eurer Partei konzentrieren. Die Bevölkerung hat andere Probleme als genderneutrale Schreibung, und sucht nach Alternativen für die wirklich drängenden Probleme wie die Eurokrise, das zunehmende Schnüffelverhalten des Staates, oder die immer weiter aufgehende Einkommensschere, um nur ein Paar zu nennen.

    Wünsche euch alles Gute für die Zukunft.

  5. 5
    Rainer Gebhardt

    …mhhh, nur mal eine Frage:
    Was ist eine“barrierefreie und inkludierende Sprache“?

  6. 6

    Wie sieht es denn jetzt nach der PiratinnenKon mit Kritik aus? Mir sind da ein paar Dinge in den Ergebnissen aufgefallen die so nicht unbedingt hinnehmbar sind und noch einiges an Aufklärung benötigen. Aus meiner Sicht fehlen ein paar Details, damit klar wird um was es sich bei manchen Begriffen überhaupt handeln soll. Das Awareness-Team erschließt sich mir z.B. nicht so ganz was deren Aufgabe genau sein soll.

Was denkst du?