Liebe Leute, ich befürchte, irgendwann mal als „Betroffenheits-Olga“ in die Geschichte der Piratenpartei einzugehen, aber manche Sachen regen mich einfach auf, tut mir leid…

Diesmal ist es die Berichterstattung der Medien über den ersten Mai 2009.

Anfangen werde ich ganz harmlos mit einem Bericht von meinem 1. Mai auf dem Mariannenplatz. (Ich weiß, ich sollte eigentlich über die Floßbaugruppe berichten – mach ich morgen, wenn ich mich wieder abgeregt habe)

Wir hatten eine schöne Flagge gebastelt:

flagge1

Schon auf dem Weg zum Mariannenplatz – ich schob ein mit Bier beladenes Fahrrad, Paul trug die Flagge, wurden wir x-mal fotografiert und angesprochen: „Seid ihr Piraten? AWESOME!“

Wir pflanzten die Flagge mitten auf die Mariannenplatzwiese und harrten der Piraten, die sich alsbald darum scharen sollten.

naja.

Es kamen welche, immerhin. Danke an alle, die da waren 🙂

Aber ehrlich gesagt – es waren verdammt wenige. Es wäre frustrierend gewesen, wären da nicht Erlebnisse gewesen wie diese: „Kann ich bei euch unterschreiben? Ich habs zwar schon ausgedruckt, aber so isses einfacher…wieviel Unterschriften habt ihr schon? WAS? Erst 700? Strengt euch an Leute, wir wollen euch wählen!“

Es kamen immerhin ein paar Unterschriften zusammen, aber mit mehr Piraten hätten wir richtig absahnen können! Verschenkte Gelegenheit, liebe Leute, kann ich da nur sagen…

Noch was Nettes am Rande: Ein Elektro-Freak neben uns amüsierte sich prächtig mit drei Kids, die seine ausgelassene Tanzerei nachahmten und dafür auch mal die Knöpfe seiner Anlage bedienen durften…

hier beim Highfive:

highfive1mai1

Übrigens trug er ein gelbes Stasi 2.0 – T-Shirt 😉

Wir hielten die Stellung, bis ich so gegen acht Uhr abends einen Sonnenstich hatte, dann schob ich mein Fahrrad, das Kottbusser Tor vermeidend, durch Nebenstrassen nachhause. Paul wollte mit der Flagge und ein paar Kumpeln noch ein bisschen durch die Gegend ziehen.

Nachts um vier weckt er mich – drei seiner Kumpel waren unter völlig unnötiger Gewaltanwendung in eine Wanne verfrachtet und abtransportiert worden.  Daran regte mich erstmal nur auf, daß ich geweckt worden war…

Sein Bericht in Kurzfassung am nächsten Morgen:

Die sogenannte „bewährte Deeskalationsstrategie“ der Polizei dieses Jahr zeichnete sich durch besonders aggressives Auftreten aus. Unbeteiligte wurden weggeschubst, beleidigt  (O-Ton: verpiss dich!) und getreten. Stoßtrupps von etwa 15 Mann drängten sich in tanzende und feiernde Leute, um sich Einzelne zu greifen. Alle Anwesenden waren für die Polizei potentielle Straftäter und wurden auch so und schlimmer behandelt. Ein junger Mann, der sich neugierig eine gelöschte Mülltonne anschauen wollte, wurde zu Boden geworfen, danach traten fünf Beamte auf ihn ein. Leute, die dagegen protestierten, daß auf  Wehrlose eingetreten wird, (kuckt euch mal die Polizeistiefel an!) werden weggerempelt.

(Kleiner Einschub: Ich hatte schon ziemlich oft mit Berliner Streifenpolizisten zu tun. DAS da können nicht meine wackeren Freunde und Helfer gewesen sein, mit denen ich immer nur gute Erfahrungen gemacht habe, weil sie sich durch Hilfsbereitschaft, Kompetenz und eine Engelsgeduld auszeichneten. Oder kriegen die irgendwat ins Trinkwasser?)

Die Geschichte, warum die Jungs nun festgenommen wurden, verkneife ich mir hier, damit ich endlich zu dem komme, was mich so aufgeregt hat. Nur so viel: Ich habe einen wohlgemuten Strafverteidiger gebeten, in nächster Zeit mal einen Abend lang einen kleinen Vortrag zu halten: „Wie verhalte ich mich im Falle einer Ingewahrsamnahme, bzw einer Hausdurchsuchung?“ und Fragen zu beantworten. Den Termin schreib ich in der ML, sobald er feststeht; wer interessiert ist, soll kommen.

So. Nun zu dem was mich ECHT aufregt:

Ist euch aufgefallen, daß in letzter Zeit weder Fernsehn, Radio, noch irgendeine Zeitung  die Zahlen von verletzten Demonstranten nennen? Das war früher gang und gäbe, heute ist nur noch die Rede von verletzten Polizisten und festgenommenen Randalierern. Das letzte mal, als von verletzten Demonstranten die Rede war, war bei der Berichterstattung vom G8-Gipfel in Heiligendamm, aber ich schätze mal, das lag an der guten Pressearbeit von Attac :-/

Ach, und natürlich sind das keine Unruhen mit sozialem Hintergrund, aber woher denn !  Das sind  die üblichen Zecken, die einfach nur Randale machen wollen, weils denen  zu gut geht.  In der Süddeutschen ist folgendes zu lesen: „Die Ausschreitungen von Linksautonomen sind nach Ansicht des Soziologen Dieter Rucht kein Indiz für mögliche soziale Unruhen. «Auffällig ist aber, dass derzeit Teile der linksradikalen Szene vor Selbstbewusstsein strotzen und meinen, vor dem Hintergrund von Finanz- und Wirtschaftskrise mehr Verständnis in der Bevölkerung zu finden», sagte der Berliner Soziologie-Professor der dpa.“

Was für ein Soziologe ist DAS denn?  Hier werden Demonstranten und Sympathisanten diffamiert und ihre Anliegen ignoriert. Und was mich auch etwas irritiert: kein Wort über den ersten Mai bei meinen Lieblingsberichterstattern: Fefes blog, Gulli-news, Netzpolitik, Golem, Heise – geht den Nerds der erste Mai wirklich so am äh…ist der denen so gleichgültig?

Hier eine sachliche Zusammenfassung bei Indymedia

http://de.indymedia.org/2009/05/249161.shtml

Verletzte werden nirgendwo mehr gezählt. Möglich, daß ich das alles zu übertrieben sehe. Aber ich werde den Eindruck nicht los, daß die allgemeine Berichterstattung über Demonstrationen den Respekt vor den Demonstranten fehlen läßt. Alles Randalierer! Eine beunruhigende Sache, finde ich. Und mit welcher Begründung behaupten alle Mainstream-Zeitungen unisono, das wären keine sozialen Unruhen gewesen? Na?

Mit keiner. Ganz einfach.

Ich finde, die Piratenpartei muss sich das nächstemal den ersten Mai zu eigen machen und sich eine piratenhafte, kreative, lustige Aktion mit einem klaren politischen Inhalt ausdenken, anmelden und durchführen. Ich werde das schon organisieren, daß das alle möglichen Leute organisieren – und das darf ruhig als Versprechen UND Drohung verstanden werden 😉

update

ich habe gerade mit einem Streifenpolizisten gesprochen (wurde angehalten wegen Fahrradfahrens auf dem Bürgersteig 😉

Der meinte etwas erbittert zu mir: WIR sind die Schutzpolizei, wir gehen Streife und machen die mühselige Kleinarbeit. Gestern, das waren hauptsächlich Bereitschaftspolizisten, das ist eine ganz andere Liga. Aber der Mist, den die bauen, der färbt auf uns ab…äh…und Sie könnten ja absteigen und bis zur Ecke schieben…dann sehn wir Sie nicht mehr…

Ein Kommentar

  1. 1

    Das Bereitschaftspolizisten bekannterweise ein höheres Aggressionspotenzial haben, ist allerdings bekannt..

    Toller Artikel btw.

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