Die PIRATEN Berlin rufen zur Teilnahme an der Spreeparade am
Samstag, den 16.07.2011, 16 Uhr ab Frankfurter Tor auf.
Dieser bunte Protest ist Ausdruck der Sorge von Anwohnern in den
angrenzenden Bezirken und ganz Berlins, dass ihr Wille bei der
Bebauung des Spreeufers übergangen wird.
Bereits beim Bürgerentscheid „Spreeufer für alle“ im Juli 2008 hatten
sich 87% der abstimmenden Friedrichshain-Kreuzberger für weitreichende
Änderungen der Spreeuferplanung ausgesprochen. Der Bürgerentscheid
beinhaltet einen 50 Meter Mindestabstand für Neubauten zum Spreeufer
sowie einen Verzicht auf Hochhäuser und Autobrücken.
„Seitdem ist von politischer Seite nicht viel passiert. Anstatt eine
Änderung der von den Bürgern abgelehnten Bebauungspläne voranzutreiben und so derartige Projekte zu verhindern, wurde das Thema die letzten Jahre ausgesessen.“
sagt Ralf Gerlich, Spitzenkandidat der PIRATEN in Friedrichshain-Kreuzberg.
Als Folge davon wird der Investor Vivico dem Bürgerentscheid zum Trotz
in naher Zukunft damit beginnen für den Auftraggeber Daimler ein 54
Meter hohes Bürogebäude mit 13 Stockwerken auf dem Anschutz-Gelände zu bauen.
Oliver Höfinghoff, der in Friedrichshain direkt für die PIRATEN
kandidiert, meint: „Die derzeitige Bauplanung widerspricht dem durch
den Bürgerentscheid eindeutig bekundeten Willen der Bewohner des
Bezirkes. Der Neubau bringt keinerlei Vorteile für die Bevölkerung, da
keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern größtenteils
Mitarbeiter, die bereits in der Umgebung beschäftigt und ansässig sind
in diese Räume umziehen sollen. Hier wird ein steriles, klar dem
Bürgerentscheid widersprechendes und die gesamte Umgebung inklusive
der nur 35 Meter hohen O2 Arena überragendes Statussymbol im Herzen
unseres Bezirkes gebaut.“
Aufgrund des gesamtstädtischen Interesses an Kultur- und
Erholungsflächen und der großen Bedeutung der Spreegrundstücke
für die Stadt sollte eine Lösung im Sinne einer sozial ausgewogenen,
nachhaltigen und ökologischen Stadtentwicklung gefunden werden.
Ein zu großen Teilen leerstehender Neubau hingegen ist eine nurmehr
relativ kostengünstige und dauerhafte Werbefläche mit einem weithin
sichtbaren Mercedesstern für Daimler und erfüllt diesen Zweck nicht.
Es ist augenscheinlich, dass die Bürger diese Entscheidung gegen den
Bürgerwillen als Provokation durch den Investor und den zukünftigen
Mieter Daimler ansehen werden.
„Aufgrund des drohenden Imageverlustes wäre es für Daimler daher
empfehlenswert, vom Bau des Hochhauses in diesem Berliner Bezirk
abzusehen“, pflichtet Jessica Zinn bei, die ebenfalls für die PIRATEN
in Friedrichshain-Kreuzberg direkt kandidiert.
Wie Zinn zudem feststellt, sind „Vivico und Daimler trotz des klar
geäußerten Bürgerwillens zu keinerlei Abstrichen bei der Planung
bereit. Vivico und Daimler ist klar, dass der Bezirk die möglichen
Entschädigungszahlungen nicht aufbringen könnte. Lediglich ein klar
geäußerter Protest der Berliner Bürger kann Investor und Bauherr
vielleicht noch davon abbringen das Hochhaus zu bauen.“
Daher halten es die PIRATEN, für wichtig, zur diesjährigen Spreeparade
aufzurufen und daran teil zu nehmen.
Ich finde es aber sehr problematisch, von einem lokalen Bürgerentscheid, bei dem nur Anwohner eines einzelnen Bezirks abstimmen durften, auf den Bürgerwillen insgesamt zu einem für die ganze Stadt relevantem Bauvorhaben zu schließen. Und leider wird von den Kritikern dieses vermeintliche Übergehen des „Bürgerwillens“ als Hauptargument vorgeschoben. Ernstzunehmende Argumente darüber hinaus finden sich kaum, sondern nur subjektives Unbehagen einiger Kritiker etwa über die Höhe des Gebäudes und das so verhasste Schwabensymbol darauf, und zweifelhafte Sorgen über Immobilienpreise und Grundwasser.
Was wir brauchen ist eine sachliche Diskussion, und ein richtiger Volksentscheid.
Eine sachliche Diskussion ist gut. Vor diesem Hintergrund habe ich zwei Fragen an dich:
Wieso ist das Bauhaben denn für die ganze Stadt relevant?
Und wieso sind ästhetische Gründe (die immer subjektiv sind) deiner Meinung nach keine ernstzunehmenden Argumente?
@Tim: Ich denke es ist offensichtlich, dass ein so großes Bauvorhaben im Herzen der Stadt nicht nur für den Bezirk selbst relevant ist, davon zeugt auch das stadtweite Interesse von Medien und Politik an der Sache. Die O2 World wäre ja allein für Besucher aus dem Bezirk auch überdimensioniert. Die Vorstellung, dass der Bezirk allein den Friedrichshain-Kreuzbergern gehört passt leider nur zu gut zu der zunehmend bedrohlichen Fremdenfeindlichkeit dort.
Ästhetische Erwägungen sind natürlich sehr wichtig, leider gibt es nur wenig begründete, konstruktive Diskussionsbeiträge in die Richtung. Stattdessen wird nur ständig genörgelt, dass das Gebäude zu hoch sei, als ob das etwas furchtbar schlimmes wäre; und das Ereifern über den Mercedesstern ist nur noch lächerlich.
Für mich ist gerade nicht offensichtlich, weshalb das Bauvorhaben für den Rest der Stadt relevant ist. Deswegen hatte ich auch nach einer Begründung gefragt.
Das Interesse allein muss kein Grund sein. Das Bauvorhaben Stuttgart 21 selbst ist für den Großteil der Deutschen höchst irrelevant. Dennoch gibt es ein großes Interesse außerhalb von Stuttgart. Das mag nicht am Bauvorhaben liegen, sondern eher an der Art der Auseinandersetzung zwischen Bürgern und Politik. Vielleicht lässt sich dieser Fall (natürlich in kleinerem Maßstab) auch gut auf Berlin übertragen.
Die 02 World ist natürlich nicht nur für den Bezirk relevant. Aber zwischen einer großen Veranstaltungshalle und einem Firmengebäude besteht zweifelsohne ein relevanter Unterschied: Ein Besuch der O2-World steht allen offen. Das Firmengebäude jedoch nicht. Ob das nun in Mitte oder in FK steht hat für den durchschnittlichen Berliner keine Auswirkung; nur für FKler und Angestellte von Mercedes.
Insofern ist mein Punkt, dass nur diese beiden Gruppen von dem Bauprojekt betroffen sind. (Baufirmen lasse ich hier raus, denn die wären gleichermaßen betroffen, wenn man das Firmengebäude in die Uckermark setzen würde)
Eine Fremdenfeindlichkeit habe ich hier nie wahrgenommen.
Die Höhe eines Gebäudes spielt bei einer ästhetischen Beurteilung eine herausragende Rolle, denn hohe Gebäude prägen das Stadtbild (Bsp.: BASF-Turm). Es geht hier somit um zweierlei: eine Veränderung des Stadtbildes und die innerstädtische Verlagerung eines Firmensitzes auf eine Freifläche.