Nach dem geltenden Landeswahlgesetz müssen Parteien, die nicht im Landtag oder in den Bezirksverordnetenversammlungen vertreten sind, für die Zulassung zu den Wahlen einen Nachweis über die Unterstützung ihrer Kandidatur durch Bürger*innen erbringen.
Durch die aktuelle Pandemielage und die verschiedenen Lockdown-Maßnahmen wird die Sammlung der notwendigen Unterstützungsunterschriften unmöglich gemacht. Darüber hinaus werden die Wahlvorbereitungen massiv erschwert, da für die noch notwendigen Aufstellungsversammlungen kaum entsprechend große Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, in denen den Vorgaben gemäß diese durchgeführt durchzuführen.
Die vom Abgeordnetenhaus nunmehr zu erlassende Regelung muss so wirken, dass die pandemiebedingte gesteigerte Beeinträchtigung des Rechts auf Chancengleichheit jedenfalls kompensiert wird.
Daher fordern wir konkret:
1. Wahlgesetze für 2021 anpassen: Der Gesetzgeber muss die Richtlinien für das Sammeln von Unterstützerunterschriften anpassen. Dafür ist eine Reduzierung der Unterschriften um 100 %, das bedeutet die komplette Streichung dieser Anforderung, notwendig.
2. Infrastruktur bereitstellen: Kleine Parteien brauchen eine kostenlose Plattform um das Wahlgeheimnis bei Aufstellungsversammlung als rechtlichen Rahmenbedingungen der Wahlen einhalten zu können.
3. Entscheidung jetzt: Die Wahltermine rücken näher – sowohl die Bundestagswahl, als auch die Landtagswahl stehen 2021 an. Wir brauchen daher eine schnelle Anpassung.
Es muss mit allen Möglichkeiten versucht werden, jeden vermeidbaren Kontakt zwischen Menschen zu unterlassen. Die Gefahr, die Infektionsdynamik von Covid-19 negativ zu beeinflussen, steht in keinem Verhältnis zur juristischen Notwendigkeit, als bloße Interessenbekundung der Bevölkerung eine Zahl von Kontakten zu erzwingen, die viel höher ist als die Zahl der Kontakte, die man eigentlich mit den Maßnahmen, wie der Kontaktbeschränkungen, erreichen dürfte. Bestehende juristische Entscheidungen zeigen, dass dieser Argumentation die Gerichte auch folgen.
Das Ziel dieser Überlegungen ist die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner zu schützen sowie unnötige Kontakte zu vermeiden. Dies ist nur durch ein sofortigen Beschluss die Richtlinien für das Sammeln von Unterstützerunterschriften im Wahlgesetz für 2021 anzupassen. Eine Reduzierung der Unterstützerunterschriften um 75 % bis 100 % ist zwingend notwendig, da viele Kleinparteien in den vergangenen Wahlperioden die Unterstützung in der Bevölkerung bereits nachgewiesen haben.
Nach derzeitigem Kenntnisstand kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Infektionsgeschehen kurzfristig verbessern wird. Die Bundesregierung (Gesundheitsminister Spahn) geht von einer Infektionslage bis in den Sommer 2021 hinein aus.
Der Verfassungsgerichtshof in Stuttgart war im November 2020 der Auffassung, dass für die Landtagswahl in Baden- Württemberg eine Reduzierung der Hürde der Unterstützerunterschriften nötig ist. Auch aus Sicht der Landtagsfraktionen in Rheinland-Pfalz rechtfertigt die aktuelle Ausnahmesituation eine Absenkung der Zahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften für Wahlkreisvorschläge, Landeslisten sowie Bezirkslisten. Hierzu war die Änderung des Landeswahlgesetzes notwendig.
Diese Entscheidungen beruhen jedoch auf einem Infektionsgeschehen im November 2020. Seitdem hat sich die Situation gerade durch die Erkenntnis, dass ein Teil-Lockdown nicht funktioniert, stark verändert. Es hat sich erst im Dezember 2020 gezeigt, dass eine teilweise Reduktion von Kontakten nicht ausreicht, um die Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus zu stoppen. Es sind also stärkere Reduktionen notwendig, als in Baden-Württemberg und und Rheinland-Pfalz beschlossen wurden.
Die Gerichte haben dabei bereits befunden, dass die vom Abgeordnetenhaus nunmehr zu erlassende Regelung so wirken muss, dass die pandemiebedingte gesteigerte Beeinträchtigung des Rechts auf Chancengleichheit jedenfalls kompensiert wird.
Die Wahlen in Berlin rücken immer näher. Am 26. September 2021 werden die Abgeordnetenhauswahlen sowie die Wahl zu den Bezirksverordneten stattfinden.
Falls an dem Erfordernis der aktuell gültigen Zahl an Unterstützerunterschriften festgehalten wird,
- Wahlkreisvorschlag: mindestens 45
- Landesliste: mindesten 2200
- Bezirksliste: mindestens 185
- Bezirkswahlvorschlag: mindestens 185 Unterstützungsunterschriften
sind, wie durch das Landesverfassungsgericht in Baden–Württemberg festgestellt wurde, die betroffenen Parteien in ihrem Recht auf Chancengleichheit – in Berlin nach Artikel 38 Absatz 3 der Landesverfassung – beraubt, da die Sars-CoV-2-Pandemie und die zu ihrer Bekämpfung getroffenen Maßnahmen zu einer Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Landtagswahl und damit zu einer Verfassungswidrigkeit der geltenden Regelungen geführt haben.
Die herkömmliche Art des Sammelns der Unterstützungsunterschriften im Wege der direkten Ansprache von Personen auf Straßen und Plätzen, während Veranstaltungen, bei Zusammenkünften von Menschen sowie an der Haus- und Wohnungstüre, ist seit Ausbruch der Pandemie und insbesondere in der aktuellen Pandemielage nach der derzeit gültigen Sars-CoV-2 EindV nicht mehr zulässig. Es liegt auf der Hand und entspricht der derzeitigen allgemeinen Lebenserfahrung, dass in der Pandemie-Situation deutlich mehr Personen schon dem Versuch einer Kontaktaufnahme aus dem Weg gehen. In der Folge müssen deutlich mehr Personen angesprochen werden, obwohl der öffentliche Raum seit Pandemiebeginn auch häufig von weniger Personen als zuvor frequentiert wird und Veranstaltungen, in deren Zusammenhang um Unterschriften gebeten werden könnte, gar nicht oder mit weniger Besuchern stattfinden.
Die derzeit herrschenden Pandemie-Bedingungen verschärfen somit die Ungleichbehandlung der Parteien in erheblicher und verfassungsrechtlich nicht zulässiger Weise.
Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit bei Wahlen hängt darüber hinaus verfassungsrechtlich eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen (BVerfGE 120, 82, 105 – Juris Rn. 104; BVerfGE 146, 327 Rn. 60 – Juris Rn. 60; zur Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl vgl. Staatsgerichtshof, Urteil vom 1.7.1985 – GR 1/84 -, ESVGH 35, 244, 246; auch Urteil vom 22.5.2012 – GR 11/11 -, Juris Rn. 31) . Deshalb muss in diesem Bereich – ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler – Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn verstanden werden.
Hierzu zählen insbesondere die mit der Wahl verfolgten Ziele, namentlich die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes sowie die Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, kollidierende Ziele mit Verfassungsrang und den Grundsatz der Gleichheit der Wahl zum Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 146, 327 Rn. 63 – Juris Rn. 63 m. w. N.).
Mit eben dieser Begründung kann auch nicht auf das Sammeln von Unterschriften per Brief ausgewichen werden. Einerseits ergeben sich durch die Komplexität des Verfahrens und die Vertraulichkeit der anzugebenden persönlichen Daten Rückfragen und Bedenken, die mit den angesprochenen Personen nur im Gespräch geklärt werden können, andererseits bedarf auch das Sammeln über den Postweg einer hinreichenden Vorbereitungszeit, die nun nicht mehr gegeben ist.
Das unmöglich Machen einer Organisation eines Verfahrens zum kontaktlosen Sammeln von Unterschriften begründet sich insbesondere aus dem Umstand, dass mit dem Sammeln von Unterstützungsunterschriften erst begonnen werden kann, wenn die betroffenen Parteien ihre Aufstellungsversammlungen durchgeführt haben. Diese durchzuführen ist jedoch massiv erschwert, da für die noch notwendigen Aufstellungsversammlungen kaum entsprechend große Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, in denen den Hygienevorgaben gemäß durchgeführt werden können. Den Parteien fe hlt also gänzlich die Grundlage, ein Verfahren zum kontaktlosen Sammeln von Unterschriften überhaupt erst zu entwickeln.
Ich als Pirat* schließe mich diesen Forderungen an.
Anders kann keine Gleichberechtigung sein.